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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Wallace hier das Prinzip der räumlichen und zeitlichen Verbindung. »Jede Art ist sowohl räumlich als auch zeitlich …«; aber das hatten wir ja schon.
    Darwin-affine Wissenschaftshistoriker wie etwa Andrew Berry und Janet Browne, ansonsten meist über jeden Zweifel erhaben, was die Sorgfalt ihrer Arbeit angeht, haben sich einen Lapsus erlaubt, als sie erst unlängst schrieben, Wallace habe nicht jene »evocative connection« wie Darwin zu Galapagos. Nein, aber im Gegensatz zu Darwin hat er diesen Archipel sogleich für seine Theorie der Arten-Entwicklung als Modellfall etabliert. Ohne Zweifel ist es ein besonderer Umstand, dass gerade Wallace – der ja so viele Inselbeispiele gleichsam vor seiner Haustür im Archipel hat – als Erläuterung für seine Theorie die Verteilung der Arten auf den Galapagosinseln nennt. Darauf hat zuerst wohl der deutsche Forscher Gerhard Wichler hingewiesen. Seine Untersuchung zu Wallace und Darwin ist indes von 1938 und heute natürlich kaum noch bekannt. Auch die amerikanische Historikerin Barbara Beddall, eine der ersten Adressen, wenn es um Wallace’ Leistung geht, hat in den 1960er-Jahren erkannt, dass Darwin bezüglich Galapagos eher unsicher und vage ist.
    Wallace dagegen legt eine bis heute korrekte Interpretation vor, nach der die Galapagosinseln trotz ihres vulkanischen Ursprungs recht alt sind und ihre Lebewesen durch zufälliges Verdriften per Wind und Wasser vom südamerikanischen Festland erhalten haben. Wie gesagt, alles visionär erkannt aus der Ferne, von einem Archipel auf der anderen Seite der Erde (oder wenigstens des Indowest-Pazifiks) aus. Beddall vermutet überdies, dass Wallace den ersten Brief an Darwin eigentlich vor allem deshalb schreibt, weil er wissen will, was dieser über Galapagos wirklich denkt. Dazu kommen wir gleich noch.
    Zwar wissen wir, welche Bedeutung seine eigenen Beobachtungen auf Galapagos für Darwin haben und welche Rolle die Erkenntnisse über die dort lebenden Tiere spielen, die er später erhält. Nur behält er diese lange für sich und veröffentlicht kaum mehr als kurze Hinweise. So erwähnt er in seinem Reise-Journal von der »Beagle« nur, dass die Galapagosinseln sogenannte stellvertretende Arten besitzen; aber mit keinem Wort deutet er hier seine Gedanken zu einer Entwicklung der Arten an. An einer ins Detail gehenden Erklärung, wie es Wallace tut, versucht er sich schon gar nicht. Hier wagt Wallace sich hellsichtig vor; und so sollten wir ihm auch mehr Ehre erweisen, wenn wir von Inseln und Archipele einschließlich Galapagos reden. Immerhin ist es Wallace, der zuerst die Bedeutung Galapagos für die Abstammungstheorie hervorhebt; und der damit vermutlich jenen ikonenhaften Status von Galapagos mit zu begründen hilft, um den sich seitdem Legenden ranken. Wallace selbst wird während seiner Reise durch die Inselwelt des indo-australischen Archipels noch weitere solcher Werkstätten der Evolution finden, zuerst als er 1856 nach Celebes kommt, und dann ein Jahr später auf den Aru-Inseln.
    Darwins Ikone Nr. 2 – von Stammbäumen: Wenn wir also gerade dabei sind, Legenden wie die von Galapagos und Darwin zu konterkarieren, dann darf die von Darwins Stammbaum nicht unkommentiert bleiben. Heute sind Stammbäume für den Systematiker und Evolutionsbiologen, was Karten für den Geographen sind. Und doch wird von vielen – vom Kladisten bis hin zum Kunsthistoriker – viel Ungares über solche Bäume verbreitet. In jedem Fall aber wird stets angenommen, dass es Darwin war, der zuerst einen Baum als bildliche Metapher für Abstammung und Evolution zeichnete, angefangen bei der simplen Strichzeichnung eines sich verzweigenden Baumes in seinem Notizbuch 1837 bis hin zur einzigen Abbildung, die 1859 sein Buch über »Die Entstehung der Arten« illustriert. In seinem ersten Notizbuch über die Transmutation skizziert Darwin auf Seite 36 einen Baum des Lebens, um sich vor Augen zu führen, was er über die Veränderung zwischen Eltern und ihren Nachkommen denkt. Später wird Darwins berühmtes Verzweigungs-Diagramm gleichsam zum dramatischen Höhepunkt seiner »Origin«. Allgemein wird daher die Baum-Darstellung später immer und beinahe ausschließlich Darwin zugeschrieben. Stammbäume, Evolution und Darwin werden auf diese Weise synonym.
    Doch wie bereits bei Galapagos müssen wir dem König die Krone verweigern. Es war nicht Darwin, sondern Wallace, der in seinem Sarawak-Aufsatz die ikonographische Metapher einer knorrigen Eiche zur

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