Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
eine richtige Scheißidee«, entgegnete Phillip. Und störrisch fügte er hinzu: »Ich will Stanbury.«
»Das wirst du nicht bekommen«, sagte Geraldine, und es klang etwas wie Zufriedenheit in ihrer Stimme.
Später wußte er, daß er in diesem Moment begonnen hatte, sie zu hassen.
3
Am Samstag morgen wurde Jessica vom Klingeln des Telefons aus dem Schlaf gerissen. Im ersten Moment dachte sie, es sei noch mitten in der Nacht, aber dann sah sie, daß es bereits zehn Uhr am Vormittag war. Sie erinnerte sich, am Abend eine Schlaftablette genommen zu haben, weil die Gedanken an Alexander so heftig über sie hergefallen waren und so viel Schmerz ausgelöst hatten, daß sie nicht hatte einschlafen können. Die Tablette
hatte sie benebelt und alles Bedrängende von ihr abrücken lassen. Jetzt hatte sie weiche Knie, als sie aus dem Bett stieg und zum Telefon tappte.
»Ja, hallo?« meldete sie sich vorsichtig, ohne einen Namen zu nennen. Es kam immer noch vor, daß Journalisten anriefen, nicht mehr so häufig wie am Anfang, aber doch hin und wieder. Auch in Deutschland waren die Yorkshire-Morde auf starkes Interesse gestoßen. Sie aber hatte mit niemandem darüber reden mögen, und sie mochte es auch jetzt nicht.
»Frau Wahlberg?« fragte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie schien ein gebrochenes Deutsch zu sprechen.
»Wer ist denn da?«
»Alicia Alvarez. Ich bin Putzfrau von Frau Burkhard.«
»Oh - Frau Alvarez!« Jessica kannte die junge Portugiesin von einigen Abendgesellschaften in Evelins und Tims Haus. Meist hatte Evelin bei solchen Gelegenheiten einen Catering-Service kommen lassen, aber Alicia hatte beim Servieren geholfen und später die Küche aufgeräumt.
»Ich hoffe, ich habe nicht geweckt?«
»Nein. Nein, kein Problem. Was gibt es?«
Wie sich herausstellte, wußte Alicia Alvarez nicht recht, wie sie weiter verfahren sollte. Evelin hatte sie Ende April von England aus angerufen und gebeten, sich weiter um Haus und Garten zu kümmern, bis sich »die Dinge geklärt« hätten. Allerdings wurde sie die ganze Zeit über nicht bezahlt und hatte nun offenbar Angst, womöglich nie das Geld für ihre Dienste zu sehen. Zudem wollte sie für zwei Wochen Urlaub machen und sich absichern, daß sie das Haus solange allein lassen durfte.
»Sie sind gute Freundin von Frau Burkhard«, erklärte sie. »Habe mich an Ihre Namen erinnert und Nummer in Telefonbuch gesucht. Vielleicht Sie können mir helfen?«
»Möglicherweise wird es noch eine Weile dauern, bis Evelin zurück in Deutschland ist«, erklärte Jessica.
»Ein entsetzliche Geschichte«, sagte Alicia, »so ein entsetzliche Geschichte!«
»Ich schlage vor, Sie fahren jetzt in aller Ruhe in Ihren Urlaub«, meinte Jessica, »und vorher bringen Sie mir, wenn Ihnen das recht ist, den Schlüssel zu Evelins Haus vorbei. Ich werde mich während Ihrer Abwesenheit um alles kümmern. Außerdem bekommen Sie von mir das Geld für Ihre bisherige Arbeit. Evelin kann es mir ja dann später einmal zurückzahlen.«
Alicias Erleichterung war selbst durch das Telefon spürbar.
»Das ist gut! So machen wir!« Vermutlich brauchte sie das ausstehende Geld dringend für ihre Ferien. »Frau Burkhard würde sein einverstanden, nicht? Sie sind so gute Freunde!«
»Frau Burkhard wäre bestimmt einverstanden«, versicherte Jessica. Sie vereinbarten, daß Alicia am Mittag vorbeikommen und den Schlüssel abgeben würde.
Als sie aufgelegt hatte, überlegte Jessica, was sie als nächstes tun sollte. Sie hatte vorgehabt, Alexanders Vater aufzusuchen, und außerdem ein Gespräch mit Elena angestrebt. Unschlüssig starrte sie auf den Apparat. Vor beiden Möglichkeiten graute ihr, aber es nützte nichts, sie ständig vor sich herzuschieben. Sie wollte Evelin helfen. Und selbst Klarheit gewinnen.
Kurz entschlossen schlug sie das ledergebundene Büchlein auf, das neben dem Telefon lag. Unter Wahlberg stand Alexanders Vater: Wilhelm Wahlberg. Er lebte nicht weit weg, am Chiemsee.
Sie wählte und wartete mit klopfendem Herzen.
Eigentlich hatte Will Wahlberg am Telefon gar nicht mal unfreundlich geklungen, was Jessica ermutigte, ein Treffen mit ihm überhaupt zu wagen.
»Kommen Sie nur vorbei. Wann Sie wollen. Kommen Sie morgen. Morgen ist Sonntag, nicht wahr? Das ist doch der Tag, an dem man Verwandte besucht.« Er hatte gekichert. »Meine Schwiegertochter. Schon wieder eine. Ich muß Ihnen sagen, ich bin durchaus gespannt, wen er diesmal geheiratet hat.«
Auf den
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