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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Wer war der vierte? Und weshalb ist er nicht mehr mit euch zusammen?«
    Leon erschrak sichtlich. Und noch ehe er antwortete, erkannte sie an seinen Augen, daß er ihr nicht die Wahrheit sagen würde.
    6
    »Ich darf mal vorangehen«, sagte der Makler, nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte, und Geraldine nickte. Sie stand in einem kleinen Vorgarten mit sauber gemähtem Rasen und schmalen Stiefmütterchenbeeten und fragte sich bang, was Phillip zu dieser Vorstadtidylle sagen würde. London war in erreichbarer Nähe, aber man war eben nicht direkt dort. Die sonnige Straße war gesäumt von hübschen Häusern, in denen offensichtlich junge Familien mit Kindern wohnten; jedenfalls deuteten die vielen Fahrräder und Skateboards in den Gärten darauf hin. Die Autos, die hier verkehrten, fuhren langsam, so daß man die Kinder auch unbesorgt auf der Straße spielen lassen konnte. All die anderen Straßen ringsum waren genauso adrett, gepflegt und still. Nur zehn Minuten zu Fuß entfernt floß die Themse. Der Wind trug stets eine Spur Salz in sich, und hoch in der Luft hörte man die Möwen kreischen.
    »Leigh-on-Sea ist außerordentlich beliebt bei jungen Familien«,
sagte der Makler, als habe er lesen können, welche Gedanken durch Geraldines Kopf zogen. »Man kann in London arbeiten, aber die Kinder wachsen dennoch in einer ruhigen Umgebung auf. Es gibt hier sehr gute Schulen. Überhaupt könnten Sie es kaum irgendwo hübscher haben. Haben Sie Kinder?«
    »Noch nicht«, sagte Geraldine, »aber wir wollen welche haben. «
    »Und vorher wollen Sie ein schönes Nest bauen. Sehr vernünftig. Schade, daß Ihr Mann zu dieser ersten Besichtigung nicht mitkommen konnte.«
    »Ich erzähle ihm alles genau«, murmelte Geraldine.
    Sie hatte dem Makler verschwiegen, daß sie überhaupt nicht verheiratet war und auch, daß der Mann, mit dem sie den Umzug in den Vorort plante, nicht die geringste Ahnung von ihren Aktivitäten hatte.
    Da es in England eher üblich ist, Häuser zu kaufen als zu mieten, war es nicht leicht gewesen, ein geeignetes Objekt zu finden. Geraldine war auf das Angebot in Leigh-on-Sea in der Zeitung gestoßen und hatte sich in einem Moment der Tollkühnheit mit dem Makler in Verbindung gesetzt. Wie sich herausstellte, gingen die Eigentümer für sieben Jahre aus beruflichen Gründen in die USA und wollten ihr Haus für die Dauer dieser Zeit vermieten. Mit Sack und Pack waren sie bereits abgereist und hatten dem Makler Schlüssel und alle Vollmachten hinterlassen.
    Das Häuschen entsprach genau dem Bild, das sich Geraldine immer von einem Zuhause für sich und Phillip gemacht hatte. Überschaubar, kuschelig, etwas altmodisch und warm. Lichtjahre entfernt vom Glamour der Model-Szene, aber auch nicht im geringsten mehr vergleichbar mit dem bohèmegefärbten, tristen Dasein, dem sich Phillip verschrieben hatte. Zutiefst bürgerlich, ein bißchen spießig - Phillip würde, wie sie fürchtete, sagen: » Grauenhaft spießig! « - und anheimelnd. Es gab ein Wohnzimmer nach vorne zur Straße, mit einem schönen Erker, in den Geraldine gleich in Gedanken einen Teetisch und zwei Sessel stellte
und dessen Fenster sie mit Blumen schmückte. Küche und Eßzimmer öffneten sich nach hinten zum Garten, in dessen Mitte ein Apfelbaum stand. Geraldine sah sich an heißen Sommertagen in seinem Schatten liegen und ein Buch lesen, vielleicht bereits mit einem dicken Bauch gesegnet, in dem Phillips Kind wuchs. Sie seufzte leise. Wenn er doch nur begreifen würde …
    »Sie sehen, das Eßzimmer hat einen eigenen Kamin«, sagte der Makler, »hübsch, an kalten Wintermorgen hier zu frühstücken. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, spielt sich in Küche und Eßzimmer das meiste Familienleben ab.«
    Sie mochte ihn. Er war rund und klein und hatte rote Apfelbäckchen. Und teilte ihr Weltbild.
    »Wo arbeitet Ihr Mann?« fragte er.
    Sie zögerte kurz. »Bei der BBC«, sagte sie dann, »er ist Sprecher dort.«
    »Oh!« Der Makler war beeindruckt. »Moderiert er eine Sendung, die man kennen müßte?«
    »Nein … er … er synchronisiert Filme …« Sie hoffte, daß der Makler wenig Ahnung hatte und nicht wußte, daß Synchronisieren häufig kein Beruf, sondern nur ein lausig bezahlter Gelegenheitsjob war. Tatsächlich war ihm das wohl unklar.
    »Wie interessant! Dann hören wir im Fernsehen sicher manchmal seine Stimme?«
    »Ja.«
    Dieser Umstand schien Phillip schon fast in einen Prominentenstatus zu heben.
    »Einen solchen Kunden hatte

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