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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ich noch nicht. Darf ich fragen, ob Sie auch beim Fernsehen sind?«
    Geraldine wußte, wie umwerfend ihr Aussehen auf andere Menschen wirkte. Jeder hätte ihr geglaubt, wenn sie behauptet hätte, Schauspielerin zu sein. Um sich einen seriösen Anstrich zu geben, unterschlug sie jedoch sogar ihre Tätigkeit als Model.
    »Ich arbeite in der Modebranche.«
    »Oh …« Er empfand sie beide ganz offenkundig als immer
exotischer. »Na ja, für jede Art von Mode müßten Sie ja das beste Aushängeschild sein!«
    Sie ging nicht darauf ein. »Könnte ich noch das obere Stockwerk sehen?«
    »Selbstverständlich. Kommen Sie!« Er führte sie eine weiß lackierte Holztreppe hinauf. Oben gab es vier mittelgroße, helle Zimmer und ein Bad.
    »Vater, Mutter, zwei Kinder und noch ein Raum für Gäste«, sagte der Makler. »Ist es nicht einfach perfekt?«
    Es war perfekt. Es war so perfekt, daß Geraldine hätte heulen können. Wenn er nur mitmachte! Wenn er es nur einmal wenigstens probieren würde. Dem Projekt eine Chance geben! Wie hatte er ihren zaghaften Vorstoß in Richtung eines gemeinsamen Hauses neulich bezeichnet? Eine Scheißidee!
    »Ich werde mit meinem Mann sprechen«, sagte sie. »Wir geben Ihnen so rasch wie möglich Bescheid.«
    »Ein Objekt wie dieses ist begehrt«, sagte der Makler. »Sie sollten sich schnell entschließen.«
    Sie standen in einem der oberen Zimmer. Geraldine schaute hinunter in den Garten. Der Apfelbaum hatte seine Blüte hinter sich, war voll zartgrüner Blätter. Sie dachte an die dicken, roten Äpfel im Herbst. »So rasch wie möglich«, sagte sie.
     
    Sie hatte ihr Auto in London gelassen und war mit dem Zug gefahren, um Phillip später genau sagen zu können, wie lange man auf diese Weise bis London brauchte. Jetzt machte sie sich auf den Weg zum Bahnhof. Der Tag war sehr warm, beinahe schon sommerlich. Ganz selten nur zeigte sich eine zerrupfte kleine Wolke am Himmel. Geraldine verließ die Siedlungsstraßen und überquerte den Marine’s Drive, der oberhalb des Flusses entlangführte. Sie ging über sauber angelegte Kieswege einer kleinen Parkanlage. Schilder, auf denen durchgestrichene Hunde in Kauerstellung abgebildet waren, wiesen darauf hin, daß man sie hier nicht ihr Geschäft verrichten sehen wollte.

    Es ist wirklich ein bißchen spießig, dachte Geraldine unbehaglich.
    Dennoch vermittelten die träge dahinfließende Themse, der Anblick eines Laubwaldes fern am gegenüberliegenden Ufer, die Boote und die in der Sonne silbern glänzenden Möwen mit ihren breitgefächerten Flügeln eine Atmosphäre von Weite und Freiheit. Nur wenige Meilen weiter mündete der Fluß in den Kanal. Es roch so stark nach Salz und Meer. Vielleicht gefiel es Phillip doch. Es mußte ihm einfach irgendwann klarwerden, daß das triste Loch, in dem er hauste, keine Lebensperspektive sein konnte.
    Einen Gedanken, der ständig in ihrem Innersten herumspukte und sich gelegentlich energisch ihres Sinnens bemächtigte, versuchte sie immer wieder mit aller Gewalt zu verdrängen, und doch tauchte er beharrlich auf und nagte an ihr. Der Gedanke, daß es das Alibi war, was Phillip überhaupt noch an ihrer Seite hielt. Daß sie keinen Fuß mehr in seine Wohnung hätte setzen dürfen, wäre das schreckliche Verbrechen in Yorkshire nicht geschehen. Daß an ein Vorhaben wie dieses nicht einmal zu denken gewesen wäre. Daß es nur jener furchtbare 24. April war, der sie noch verband. Phillip parierte, weil er sich in ihrer Hand fühlte - und es im übrigen ganz objektiv auch war . Doch wie weit würde er sich von ihr bestimmen lassen? Bis in das Häuschen in Leigh-on-Sea hinein? Bis ins Standesamt? Bis hin zur Zeugung und Geburt gemeinsamer Kinder? Oder würden ihn sein Stolz, sein Eigensinn, vielleicht sogar so etwas wie ein Selbsterhaltungstrieb ausbrechen lassen, ungeachtet der Folgen, die dies für ihn haben würde?
    Und umgekehrt, wie weit würde sie gehen? Bislang hatten sie nicht einmal über das Thema gesprochen. Würde sie ihn an seine Lage erinnern, wenn er sich gegen ihre Pläne sträubte? Würde sie drohen? Wäre sie in letzter Konsequenz sogar fähig, zur Polizei zu gehen und ihre Aussage zu widerrufen?
    Was sie wieder an den Punkt brachte, über den sie am allerwenigsten
nachdenken mochte: die Frage, ob sie einem Unschuldigen ein Alibi verschafft hatte; ob es also ein Unschuldiger war, den sie natürlich mit einem Gang zur Polizei nun nachträglich in größte Schwierigkeiten bringen würde.
    Oder ob sie

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