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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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können und sei wegen ihrer schweren Depressionen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik.
    »Laß sie uns doch besuchen«, hatte ich kurz vor der Hochzeit vorgeschlagen, »und ihr von uns erzählen!«
    Aber das wollte Evelin nicht, auf keinen Fall. Sie begann - natürlich - zu heulen, als ich drängte, und so ließ ich vorläufig von diesem Ansinnen ab.

    Nach der Hochzeit begann ich mich immer öfter zu fragen, weshalb ich geglaubt hatte, Evelin unbedingt heiraten zu müssen. Sie sah ganz niedlich aus, aber es gibt Frauen, die sind weit attraktiver als sie. Ihr Äußeres war nicht der Grund, ganz sicher nicht. Ich glaube, es war der Umstand, daß sie von mir abhängig war, der mich so reizte, ja der mich fast süchtig danach machte, meine Macht über sie immer wieder neu auszuprobieren. Sie war mir ausgeliefert, die Frage, ob ein Tag gut oder schlecht für sie verlief, wurde einzig von mir entschieden. Ich konnte ihr schon beim Frühstück mit Kälte und Schweigen begegnen, und schon verwandelte sie sich in einen winselnden Hund, der verzweifelt um ein wenig Zuwendung bettelt. Sie kroch geradezu auf dem Bauch hinter mir her, bemüht, alles richtig zu machen, ein Lächeln in meine Züge zu zaubern, ein gutes Wort von mir zu hören. Wenn es mir gefiel, gab ich ihr plötzlich und unerwartet, was sie wollte - und erlebte eine Frau, die vor Dankbarkeit und Erleichterung bereit gewesen wäre, meine Fußsohlen zu lecken, hätte ich es gefordert. Manchmal allerdings bereitete es mir auch einen besonderen Spaß, sie ein paar Tage schmoren zu lassen und zu beobachten, was diese Behandlung aus ihr machte. Sie wurde zum Wrack, innerhalb von vierundzwanzig Stunden, man konnte zuschauen, wie es mit jeder Minute schlimmer wurde. Von irgendeinem Zeitpunkt an konnte sie kein Salzfaß mehr in der Hand halten, weil sie so zitterte. Sie konnte nicht mehr ans Telefon gehen, weil ihre Stimme brach, wenn sie nur ihren Namen sagte. Schließlich schloß sie sich im Bad ein und kotzte sich fast die Seele aus dem Leib.
    Und ich?
    Ich wußte, daß es mich nicht mehr Aufwand als das Umlegen eines Lichtschalters kosten würde, ihre Qual zu beenden, und daß ich den Zeitpunkt allein bestimmen konnte. Das machte mich… wie soll ich es nennen? Ich war süchtig danach. Es war ein Spiel, ein Kick, es war absolut das Größte. Ich mußte es immer wieder haben.

    Und deshalb, denke ich, habe ich diese Frau geheiratet. Sie gehört zu den Menschen, die schon als Opfer auf die Welt kommen. Und es dann auch lebenslang bleiben. In gewisser Weise, und das erschreckt mich manchmal, bin ich von ihr so abhängig wie sie von mir. Ich könnte es nicht ertragen, sie zu verlieren.
    Was mich vom ersten Tag unserer Ehe an nervte und bis heute nervt, ist ihre Anhänglichkeit an Dr. Wilbert. Ihr Therapeut. Nach der Hochzeit sagte ich ihr, sie solle doch bei Wilbert aufhören, schließlich sei sie ja nun mit einem Psychologen verheiratet. Ich schenkte ihr einen Hund, einen bildschönen Schäferhund, damit sie jemanden hatte, für den sie sorgen, mit dem sie sich beschäftigen konnte, und ich hoffte, dies würde ihr die Abnabelung von Wilbert erleichtern. Sie schaffte es nicht. Es gab in den letzten Jahren immer wieder diesbezüglich Versuche von ihr, auf meinen massiven Druck hin, aber sie wurde stets rückfällig. Zeitweise suchte sie ihn, glaube ich, sogar heimlich auf. Ich konnte es nicht riskieren, ihr zu sagen, sie solle sich doch bei mir in Behandlung begeben, denn das wäre, nach allen therapeutischen Regeln, völlig abwegig gewesen. Sie hätte es Wilbert garantiert erzählt, und ich konnte es mir nicht leisten, innerhalb meiner Berufskollegen zum Außenseiter zu werden. Die meisten können mich ohnehin nicht leiden. Klar, ich habe unheimlich viel Erfolg. Ich verdiene klotzig. Meine Patientinnen hängen wie die Kletten an mir. So etwas gebiert Neid.
    Es gab ein Problem, das unseren Alltag zunehmend belastete, und das war jener der Verachtung entspringende Haß, den ich auf schwache Menschen habe und mit dem ich auch meinen Patienten gegenüber ständig kämpfen muß. Sosehr diese Menschen jenen Kitzel in mir auslösen, der mein Leben lebenswert macht, so unvermeidlich lösen sie auch Wut und Abneigung, ja ich möchte fast sagen: Ekel, tiefsten Ekel, in mir aus. Es ist immer wieder das gleiche Phänomen, und es macht diesen Beruf, den ich so liebe, oft recht schwierig für mich. Manchmal
kann ich es fast nicht aushalten, mit einer dieser Jammergestalten in

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