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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihre Kindheit wußte, vermutete sie, daß in Evelin bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt etwas zerbrochen war.
    Evelins Arme hingen schlaff rechts und links vom Körper herunter, ihre Hände verschwanden in den Falten des riesigen, viel zu weiten schwarzen Jeanshemds, das sie trug. Jessica vermochte nicht zu erkennen, ob sie ein Messer bei sich hatte. Wenn ja, dann war sie ihr unterlegen. Dann hatte sie kaum eine Chance.
    »Er kam die Treppe herauf und stand plötzlich in der Tür«, fuhr Evelin fort, »und ich blickte zu ihm hin und sagte irgend etwas. ›Hallo‹ oder ›guten Abend‹, und er antwortete, das sei ja ein sehr idyllisches Bild, die werdende Mama in ihrem verkitschten Kinderzimmer. Als er verkitscht sagte, war mir klar, daß er mich nun wieder erniedrigen würde. Er würde kein gutes Haar mehr an mir lassen, er würde nicht ruhen, bis ich weinte oder mich übergab. Für gewöhnlich ließ ich es über mich ergehen, weil ich wußte, daß er es brauchte und daß ich ihm ohnehin nicht entkommen konnte. Seine Attacken waren längst Teil meines Lebens geworden. Es war wie bei meinem Vater. Man konnte nur warten, bis es vorüber war, und dann die Knochen oder die seelischen Trümmer wieder zusammensetzen.
    Aber an jenem Abend … da war etwas anders. Seitdem ich das Baby erwartete, ging eine Veränderung in mir vor. Ich kann nicht
genau sagen, woran es lag. Vielleicht an dem Bewußtsein, daß da Leben in mir wuchs, daß ein unglaubliches Wunder geschah, daß ich es war, die dieses Wunder Wirklichkeit werden ließ. Ich fühlte mich stark. Und mit jedem Tag, der verging, schwand meine Bereitschaft, mich wieder und wieder von ihm demütigen zu lassen.
    Ich sagte, ich würde mich um das Abendessen kümmern, und wollte an ihm vorbei zum Zimmer hinaus, aber er verstellte mir den Weg.
    ›Ich rede mit dir‹, sagte er, und ich erwiderte: ›Du hast nur eine Feststellung getroffen. Ich habe das nicht als Gespräch empfunden. ‹
    Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, da packte er mich plötzlich an den Haaren und riß meinen Kopf nach hinten, daß ich dachte, er bricht mir das Genick. Ich schrie auf, weil er mir so weh tat. Er war außer sich vor Wut. ›So redest du nicht mit mir!‹ schrie er. ›So wirst du nie wieder mit mir reden!‹
    Und dann schlug er mir die Faust in den Unterleib. Zweimal, dreimal. Ich fiel zu Boden, krümmte mich zusammen, versuchte, das Baby zu schützen. Er stand über mir und trat mich jetzt mit seinen Schuhen, wieder und wieder. Ich brüllte vor Schmerzen und vor Angst, und er schrie: ›Dir und deinem Balg werd ich’s zeigen! Ihr habt mich nicht umsonst beleidigt!‹
    Als er endlich von mir abließ, war ich fast bewußtlos vor Schmerzen, aber ich schleppte mich auf allen vieren ins Bad. Dort stellte ich fest, daß ich zu bluten begonnen hatte, und mit jeder Minute wurde es heftiger. Als ich langsam auf die Füße kam, lief mir das Blut die Beine hinunter und tropfte auf den Fußboden. Tim tauchte in der Badezimmertür auf. Er war jetzt sehr ruhig. ›Wir müssen ins Krankenhaus‹, sagte er, ›ich glaube, daß du gerade eine Fehlgeburt hast.‹
    Ich ließ mich von ihm zum Auto führen, er stützte mich, war fürsorglich und besorgt.
    ›Es hätte mich auch gewundert‹, sagte er, ›wenn ausgerechnet du eine Schwangerschaft bis zum Ende durchhalten könntest!‹
    Im Krankenhaus sagte er, ich sei die Treppe hinuntergestürzt und mit dem Bauch auf einen Pfeiler aufgeschlagen. Sie operierten, kratzten heraus, was von dem Baby übrig war. Zwei Tage nach der Operation kam ein Arzt zu mir und wollte wissen, ob die Geschichte mit dem Treppensturz stimme. Ich hatte riesige Hämatome am Bauch, und er meinte, ihm sehe das nicht nach einem Sturz aus. Aber ich sagte, das sei schon richtig, es sei so gewesen, wie mein Mann es geschildert habe. Er hakte noch eine Weile nach, aber ich blieb bei dieser Version. Warum?« Evelin zuckte die Schultern. »Es machte anders keinen Sinn mehr. Alles war tot in mir. Was mir blieb, war Tim. Ohne ihn würde ich nicht leben können.«
    »O Gott, Evelin«, sagte Jessica leise. »Evelin, es tut mir entsetzlich leid. Du hast so Schreckliches durchgemacht. Tim hat diesen Sachverhalt mit keinem Wort in seinem Dokument erwähnt. «
    »Er wurde auch zwischen uns nie zur Sprache gebracht. Ich war die Treppe hinuntergefallen, ungeschickt und trampelig, wie ich nun einmal bin.«
    »Aber wieso hast du dich niemandem anvertraut? Ich meine, vielleicht war es ein

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