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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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überspannen.«
    »Keith!« Ich hätte es nicht ausgehalten, ihn nicht zu sehen. Nicht nach dieser Nacht.
    »Ich bin in der Scheune«, sagte er schließlich, »und du kommst, wenn es geht.«
    Ich lachte und sagte, ich würde mich notfalls an einem Seil aus dem Fenster runterlassen, und ich meinte das ganz ernst. Ich küßte ihn wieder, und erst als er noch einmal drängte, ich solle gehen, machte ich mich auf den Weg.
    Ich vermute, er hat Angst, weil ich ja noch nicht volljährig bin.
Ich kenne mich da mit den Gesetzen nicht aus, schon gar nicht in England, aber womöglich könnte er wirklich in Schwierigkeiten geraten. Als ob ich etwas sagen würde! Ich bin wirklich kein geschwätziges kleines Mädchen, so gut müßte er mich kennen.
    Ich fühlte mich immer noch ganz leicht, als ich den Weg hinauflief, ganz frei und erwachsen. Ich denke, ich bin auch sehr erwachsen geworden in der letzten Zeit. Vielleicht nicht erst durch Keith. Auch dadurch, daß Mami und Papa sich haben scheiden lassen, und dadurch, daß ich als einzige klar sehe, wie krank Papas Freunde sind. Und dann natürlich durch Keith. Wenn ich mir Diane vorstelle! Sie ist nur drei Jahre jünger als ich, aber mir kommt es vor, als läge eine ganze Generation zwischen uns.
    Übrigens fällt mir gerade noch etwas ein: Es war eigenartig, aber als ich den Weg entlangging, dachte ich einmal, da wäre jemand. Zwischen den Büschen am Rand. Ich fragte leise: »Keith?«, weil ich dachte, vielleicht ist er mir nachgelaufen und will mich überraschen, aber es rührte sich dann nichts mehr, und ich habe auch niemanden gesehen. Vielleicht schlich da ein Fuchs herum. Auf jeden Fall war mir nicht unheimlich zumute, ich hatte auch keine Angst. Ich glaube, ich werde nie wieder Angst haben. Ich fühle mich so stark. So, als ob mir einfach nichts zustoßen könnte.
    Und jetzt sitze ich hier in meinem Zimmer, das Fenster ist offen, ich habe meinen flauschigen Bademantel angezogen, und ich fühle mich so wunderbar.
    Papa wird megasauer sein.
    ES IST MIR EGAL!!!

    17
    Jessica wachte auf und hatte den Eindruck, daß es eine seltsame innere Unruhe gewesen war, die ihren Schlaf unterbrochen hatte. Vor dem Fenster dämmerte der Tag heran, aber es mußte zweifellos noch sehr früh sein. Sie sah sich um und entdeckte, daß das Bett neben ihr leer war. Alexander war nicht da.
    Er hatte einen Alptraum gehabt gegen vier Uhr früh und sie mit seinen Schreien geweckt. Wie üblich war er bleich und zitternd im Bad verschwunden und hatte sie nicht in seiner Nähe geduldet. Sie war dann wieder eingeschlafen, frustriert und ein wenig auch resigniert, traurig, weil er sie offenbar nach wie vor nicht ins Vertrauen ziehen wollte.
    Doch die Frage war: Weshalb war er immer noch nicht wieder im Bett?
    Sie stellte fest, daß es fünf Minuten nach sieben war. Sie stand auf, ging zum Bad, klopfte leise an die Tür. »Alexander?«
    Niemand antwortete. Niemand war im Bad.
    Sie seufzte leise. Bis vor kurzem hatte sie jedem, der sie fragte, gesagt, daß ihre Ehe mit Alexander einfach großartig war, besser, als sie selbst es von der Institution Ehe überhaupt erwartet hatte. »Natürlich krachen wir uns hin und wieder«, hatte sie zu ihren Freundinnen, zu ihren Eltern gesagt, »aber wir haben ein Fundament, das unverletzbar ist. Liebe und Vertrauen und Nähe … Ich glaube, daß wir alles aushalten werden, was vielleicht an Schwierigkeiten auf uns zukommt.«
    In diesen Osterferien, hier in Stanbury, verschoben sich plötzlich die Perspektiven. Scheinbar Unerschütterliches wankte, Sicherheit wandelte sich in Angst, Vertrauen in Argwohn. Ehrlicherweise hätte Jessica, wäre sie jetzt nach ihrer Ehe gefragt worden, antworten müssen: »Ich glaube, es gibt eine Menge Dinge, die mein Mann vor mir geheimhält.«
    Und plötzlich war sie voller Furcht vor der Zukunft.

    Sie schlüpfte in ihren Bademantel und verließ barfuß das Zimmer. Hinter den Türen rechts und links rührte sich nichts. Aber als sie am oberen Ende der Treppe stand, vernahm sie Alexanders Stimme. Er sprach flüsternd, gedämpft. Sie wußte sofort, daß er sich unten in der Halle befand und telefonierte.
    »Ich weiß mir einfach keinen Rat mehr«, sagte er soeben. Er klang verzweifelt. »Ich könnte genausogut mit einer Wand reden. Es ist, als hörte sie mir gar nicht zu. Es ist ihr gleichgültig, was ich sage.« Er schwieg einen Moment.
    »Nein«, sagte er dann, »ich glaube, sie sieht das Problem nicht wirklich. Oder es ist ihr nicht

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