Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
meint damit uns. Uns alle hier.«
    Jessica stand auf. »Das ist ja wohl auch kein Wunder!«

    »Jessica!« Alexanders Stimme klang scharf. »Paß auf, was du sagst!«
    Patricia las weiter vor. » … ein scheußliches, kleines, hochgiftiges Insekt … So beschreibt sie mich. Und ein Stück darunter: Tim hatte Angst, daß sie einen Schlaganfall kriegt und krepiert. Was ich persönlich für die beste Tat ihres Lebens hielte. Auch da geht es um mich.«
    »Ich höre mir das nicht länger an!« rief Jessica. Sie stand hoch aufgerichtet vor dem Kamin. Ihr war schwindlig und übel, und keineswegs hing das mit ihrer Schwangerschaft zusammen.
    »Ein letztes«, sagte Patricia, »solltest du dir unbedingt noch anhören. Damit du auch begreifst, daß wir es hier mit einer Psychopathin zu tun haben. Einer gefährlichen Psychopathin!« Mit Abscheu in der Stimme las sie: » Mir war total schwindlig, und plötzlich sah ich ein Bild … und auf dem Bild war ich mit einer Pistole, und ich schoß in diese Gesichter hinein, und ihre Augen waren ganz weit aufgerissen, und Blut quoll aus ihren Mündern … Eine hübsche Szene, nicht? Es geht wieder einmal um uns alle hier!«
    »O Gott«, murmelte Evelin entsetzt.
    »Gewaltiges Aggressionspotential«, konstatierte Tim mit der nachdenklichen Miene des besorgten und erfahrenen Arztes.
    Jessica schoß zu ihm herum. »Seid ihr überhaupt noch normal? Tim, du solltest nicht Ricarda analysieren, du solltest dir sehr viel dringender Gedanken um euch alle hier machen! Es ist unmöglich, was ihr tut! Es ist unmöglich, daß sie vorliest, und es ist unmöglich, daß ihr zuhört! Vieles, was hier passiert, ist unmöglich, und ich komme mir langsam vor wie in einer Gesellschaft von Neurotikern!«
    »Jessica!« mahnte Alexander wieder. Er hatte ihr gegenüber nie zuvor einen so harten Ton angeschlagen.
    »Ach, und übrigens«, sagte Patricia, »damit du nur siehst, daß meine Befürchtungen durchaus berechtigt waren …« Sie hatte weitergeblättert. » … und dann machte er es … Nur zur Erläuterung:
Es geht hier um einen jungen Mann namens Keith und darum, was die beiden neulich nachts in einer verlassenen Scheune trieben … Das Gefühl war so groß, das Gefühl von Liebe, die Gewißheit, daß ich immer zu ihm gehören werde …« Sie sprach mit einer gekünstelten, affektierten Stimme.
    Jessica war mit einem Schritt neben ihr und entriß ihr das Heft. Weiß vor Wut fuhr sie sie an: »Ricarda hat recht! Absolut recht! Du bist ein scheußliches, hochgiftiges, kleines Insekt! Du bist eine …«
    »Jessica!« Das klang diesmal wie ein Pistolenschuß. Jessica sah ihren Mann an. Seine Augen waren voller Wut … ja beinahe Haß hätte sie darin gelesen, wenn ihr dies nicht absurd vorgekommen wäre. »Das reicht jetzt endgültig!«
    »Aber …«
    »Es reicht, habe ich gesagt!« fuhr er sie an. Er wandte sich an die anderen. »Ihr müßt entschuldigen. Jessica ist völlig überreizt zur Zeit. Wir hätten es euch lieber bei einer passenderen Gelegenheit erzählt, aber nun erfahrt ihr es eben so, und es erklärt vielleicht manches: Jessica ist schwanger. Wir werden im Oktober ein Baby bekommen.«
    Wir werden im Oktober ein Baby bekommen.
    Der Satz hing im Raum, in dem es mit einem Schlag totenstill war, so als hätten alle aufgehört zu atmen.
    Jessica, völlig geschockt, nahm mehrere Dinge auf einmal wahr:
    Evelin, die weiß wurde bis in die Lippen und deren Weinglas in ihrer Hand so zu zittern begann, daß es hinunterzufallen drohte.
    Patricia, die überrascht wirkte - nicht erschüttert, nicht verunsichert -, aber sehr überrascht.
    Tim, der aus unerfindlichen Gründen überheblich grinste.
    Leon, der zuvor so ausgesehen hatte, als sei er in Gedanken woanders, und der auch jetzt noch so aussah.
    Alexander, der aufgestanden war und seine Freunde Verständnis und Entschuldigung heischend anblickte.

    Und in der Tür, zu ihrem Entsetzen, eine magere Ricarda - sie ist wirklich ungeheuer abgemagert in der letzten Woche , dachte Jessica -, die an gespenstischer Blässe mit Evelin konkurrierte und von der man nicht wußte, was sie nun mehr schockierte: der Umstand, daß öffentlich aus ihrem Tagebuch vorgelesen worden war, oder die Tatsache, daß die ungeliebte Frau ihres Vaters ein Baby erwartete. Vermutlich beides.
    Jessica trat auf sie zu und reichte ihr das Heft. »Hier. Das ist deines. Glaub mir, ich wünschte, es wäre nicht zu dieser Situation gekommen.«
    Ricarda nahm das Heft, drehte sich um und ging

Weitere Kostenlose Bücher