Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
polnischen Solidarność ebenso wie mit Kubas Fidel Castro. Einige seiner Berichte waren mit hochdotierten englischen Fernsehpreisen ausgezeichnet worden. Er hatte in England eine immense Popularität genossen. Allerdings hatte es,
wie er schrieb, auch eine Menge Anfeindungen gegeben, da man ihm immer wieder eine zu große Sympathie für die IRA und zuviel Verständnis für deren Belange vorwarf. McGowan vermied es in dem gesamten Buch, zu diesem Vorwurf eindeutig Stellung zu beziehen. Es war nicht herauszufinden, wo er tatsächlich gestanden hatte.
Zwei Kapitel hatte er jedoch seinem Privatleben gewidmet; das eine war überschrieben mit Frankreich , das andere mit Deutschland . Er berichtete davon, wie sehr es ihn geschmerzt hatte, als junger Mann am Krieg gegen Hitler nicht teilnehmen zu dürfen, und wie er Tag und Nacht überlegt hatte, was er tun könnte, um doch einen Beitrag zu leisten. Auf dramatisch gefährliche Weise hatte er über die Kanalinseln Kontakt zur Résistance aufgenommen und war nach Frankreich geschleust worden, wo er eine Existenz unter falschem Namen geführt hatte. Er beschrieb einige sehr abenteuerliche Begebenheiten und kam dann zu seinem ersten Zusammentreffen mit der Deutschen Patricia Kruse. Er äußerte sich zurückhaltend über diese Liebesgeschichte, aber es wurde durchaus deutlich, daß auf beiden Seiten sehr starke Gefühle im Spiel gewesen sein mußten. Sowohl er als auch Patricia hatten enorme Risiken und Gefahren auf sich genommen, um soviel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen. Mehr als einmal waren sie haarscharf der Aufdeckung entgangen, was ihnen KZ und Hinrichtung hätte einbringen können.
Über das Kriegsende schrieb Kevin: Es war vorbei, endlich, und nun galt es, die Rückkehr in ein normales Leben zu bewältigen. Leider gelang es Patricia und mir nicht, unsere Gefühle zu retten. Manches, das wir für Liebe gehalten hatten, mochte zu sehr abhängig gewesen sein von der Romantik gemeinsam durchlittener Gefahren, von dem Wissen, daß wir für jede gemeinsam verbrachte Nacht mit unserem Leben spielten. Nie waren wir zusammengewesen, ohne zugleich auf Schritte zu lauschen, die sich nähern könnten, auf Autos, auf barsche Stimmen. Es hatte keinen Moment der Entspanntheit gegeben. Manchmal
hatten wir flüsternd darüber gesprochen, wie herrlich es sein würde, in Frieden und Freiheit zu leben. Nun wurden uns Frieden und Freiheit geschenkt, aber wir fanden keine Möglichkeit, gemeinsam damit umzugehen …
Wir zogen zuerst nach London, wo wir heirateten und ich als Fernsehreporter zu arbeiten begann. Die Tatsache, daß ich aktiver Widerstandskämpfer gewesen war, öffnete mir alle Türen. Unglücklicherweise konnte Patricia jedoch nicht heimisch werden. Im Alltag war sie massivsten Anfeindungen ausgesetzt, sowie offenkundig wurde, daß sie Deutsche war. Große Teile Londons lagen in Schutt und Asche, zerstört von Hitlers Bombern. Die Menschen hausten zum Teil in erbärmlichen Umständen. Im Fernsehen zeigten sie Filme, die britische Soldaten in den KZs der Nazis gedreht hatten, und diese Bilder übertrafen alles, was man sich bis dahin an Grauen überhaupt hatte vorstellen können. Hinzu kam, daß viele englische Familien ein oder mehrere Opfer aus ihrer Mitte zu beklagen hatten, gefallene Väter, gefallene Söhne. Nein, Patricia hatte im England der ersten Nachkriegsjahre keine Chance. Sie war unglücklich, hatte Heimweh. Das änderte sich leider auch nicht, als Ende 1946 unser Sohn Paul geboren wurde. Zuerst hatte ich gehofft, er würde Patricia ein wenig Halt geben. Aber sie blieb einsam und traurig, und schließlich wurde mir klar, daß es so nicht weitergehen konnte. Also übersiedelten wir im Januar 1949 nach Deutschland, nach Hamburg, wo Patricia aufgewachsen war. Überall in Deutschland entstanden neue Städte aus den Trümmern, und man entnazifizierte sich, was bedeutete, daß in Prozessen mit den Tätern abgerechnet wurde und ansonsten jeder bemüht war, seine eigene, persönliche Unschuld am Geschehen immer wieder zu beteuern. Mein Kampf an der der Seite der Résistance erwies sich auch hier als vorteilhaft; ich fand schnell Arbeit als politischer Kommentator bei einem Rundfunksender. Alles hätte gut werden können: Patricia hatte ihre Eltern und Geschwister wieder, dazu alte Freunde aus ihrer Schulzeit. Niemand feindete sie mehr
an. Paul entwickelte sich prächtig. Ich fand mich ohne größere Schwierigkeiten in dem fremden Land zurecht, schloß
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