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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Abendessen ein Gespräch mit ihm unter vier Augen zu suchen. Vielleicht konnten sie einen kleinen Spaziergang machen. Dann war gewährleistet, daß niemand etwas mitbekam.
    21
    »Ich würde gern etwas mit euch besprechen«, sagte Patricia, als alle fertig gegessen hatten. »Könntet ihr bitte mit mir ins Wohnzimmer hinüberkommen?«
    Sie hatten alle am Essen teilgenommen, aber es war fast kein Wort gesprochen worden. Man hatte nur das Kratzen der Bestecke auf den Tellern gehört, gelegentliches Räuspern oder das leise Gluckern, wenn sich jemand Wein nachschenkte. Jeder zufällige Besucher, so dachte Jessica, hätte Reißaus genommen vor den unterdrückten Aggressionen, die den Raum geradezu greifbar auszufüllen schienen.
    »Alexander und ich wollten eigentlich einen Spaziergang machen«, wandte Jessica ein. Sie vermutete, daß Patricia wieder irgendwelche Strategien, den allgemeinen Umgang mit Phillip Bowen betreffend, anordnen wollte, und sie hatte wenig Lust, dem auch nur noch eine Minute Zeit zu widmen.

    »Wir können doch später noch spazierengehen«, meinte Alexander.
    »Ich hätte jetzt gewettet, daß du das sagst«, sagte Jessica.
    Patricia erhob sich. »Diane und Sophie, ihr geht in den Garten spielen«, wandte sie sich an ihre Töchter, »ihr anderen kommt mit.«
    »Ich nicht«, sagte Ricarda. Es war das erste Mal seit Stunden, daß sie den Mund öffnete.
    » Du kannst tun, was du möchtest«, erwiderte Patricia mit eigentümlicher Betonung. Ricarda zuckte mit den Schultern und blieb am Eßtisch sitzen, während die anderen hinüber ins Wohnzimmer gingen.
    Zehn Minuten, nahm sich Jessica vor, mehr gebe ich ihr nicht. Dann will ich den Rest des Abends so verbringen, wie ich es geplant habe.
    Sie saßen alle in der Sitzgruppe vor dem Kamin, einige hatten ihre Weingläser mitgenommen. Jessica schwebte auf der äußersten Kante ihres Sessels. Sie wollte weg. Sie hatte eine vage Ahnung von Bedrohung.
    »Ich muß etwas mit euch besprechen«, sagte Patricia noch einmal, »denn ich habe heute eine Entdeckung gemacht, die mich zutiefst beunruhigt. Ich habe überlegt, ob ich … nun, ich gelangte zu dem Schluß, daß es uns alle betrifft.«
    Spuck’s schon aus, dachte Jessica aggressiv.
    »Es hängt mit Ricarda zusammen«, fuhr Patricia fort, und als sie sah, daß Alexander den Mund öffnete und offensichtlich etwas sagen wollte, machte sie eine abwehrende Handbewegung. »Nicht das Übliche. Viel … schlimmer. Wie ich sagte: wirklich beunruhigend.«
    Tim seufzte. »Worum geht es denn, Patricia? Vielleicht könntest du allmählich zur Sache kommen. Es ist ein herrlicher Abend, und ich glaube, wir alle würden ganz gern noch ein bißchen hinausgehen.«
    Patricia stand auf, trat an ein kleines Schränkchen, in dem
Schnaps und Cognac aufbewahrt wurden. Aus dem hintersten Winkel zog sie ein Heft hervor. Ein einfaches, dickes Schreibheft, grün, ein bißchen zerknickt und ramponiert.
    »Dies«, sagte Patricia, »fand ich heute in Ricardas Zimmer.«
    Alle starrten sie an. Jessica richtete sich auf, jetzt noch weiter vorn auf der Sesselkante balancierend.
    »Was, zum Teufel …«, begann sie, aber Alexander legte ihr seine Hand auf den Arm. »Laß mal«, bat er.
    Patricia setzte sich zu den anderen, blätterte in dem Heft herum. Linierte Blätter, alle dicht beschrieben. Es gab nur noch wenige leere Seiten in dem Heft.
    »Ein Tagebuch«, erläuterte Patricia. »Ricardas Tagebuch.«
    »Wie kommst du denn dazu, in ihren Sachen zu wühlen?« fragte Jessica fassungslos.
    »Ich ging heute morgen zufällig in ihr Zimmer«, erklärte Patricia. »Hattest du mich nicht noch geschickt, Jessica? Ich glaube, Ricarda wurde am Telefon verlangt, nicht wahr? Sie war aber nicht da.«
    »Deswegen kannst du doch nicht in ihren Sachen herumsuchen! «
    »Darum geht es doch jetzt gar nicht. Entscheidend ist, was ich entdeckt habe. Ihr müßt euch das anhören. Alexander, ich bin überzeugt, deine Tochter braucht therapeutische Hilfe.«
    »Alexander!« Jessica hätte ihren Mann am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt. »Du kannst nicht zulassen, daß sie hier aus Ricardas Tagebuch vorliest! Das wäre ein Verrat, der alles zwischen euch zerstört.«
    »Ich würde gern wissen, was Patricia so bedenklich findet«, sagte Alexander. Seine Lippen waren grau.
    Patricia schlug eine Seite weit hinten auf. »Allein der letzte Eintrag! Von gestern. Nur ein paar Kostproben: Krank und kaputt will ich sie sehen! Am allerliebsten TOT! Sie

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