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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mittagessen auf mich. Ich weiß nicht, wie lange ich wegbleibe.«
    »Kann ich mitkommen?« fragte Alexander.
    »Ich würde lieber allein sein«, antwortete Jessica steif.
    Er nickte langsam.
    »Ich sage dazu nichts mehr«, hielt Patricia noch einmal fest.
    »Danke«, sagte Jessica, »das ist außerordentlich nett von dir.«
    Patricia verließ wortlos die Halle. Steve war bereits verschwunden, um sich den Rasenmäher aus dem Geräteschuppen zu holen.
    »Glaubst du, daß sie in Gefahr ist?« fragte Alexander. Er meinte Ricarda.
    »Ich glaube nicht, nein«, sagte Jessica, »aber sie braucht Ruhe und Abstand. Es war zu grausam, was gestern abend passiert ist. Patricias Verhalten war unmöglich, aber das sind wir alle, auch Ricarda, gewöhnt von ihr. Das Schlimme war, daß du dich nicht vor deine Tochter gestellt hast, Alexander. Sie hätte deine Unterstützung und Hilfe gebraucht, und du bist ihr in den Rücken gefallen. Du solltest sie jetzt erst einmal in Ruhe lassen.«
    »Fandest du es nicht erschreckend, was sie da schrieb in ihrem Tagebuch? Daß sie uns alle haßt und uns den Tod wünscht, und …«
    »Man muß schon Patricia heißen, um das derart zu dramatisieren«, meinte Jessica. »In Ricardas Alter hassen sie leidenschaftlich, lieben inbrünstig, verzweifeln zutiefst und erleben ungeheure Euphorien. In rasendem Tempo nacheinander oder sogar gleichzeitig. Das ist normal. Sie kommen mit sich und dem Leben noch nicht zurecht. Aber irgendwann landen sie dann doch in den Bahnen, die zu ihnen passen.«

    »Oder in der Drogenszene.«
    »Ricarda nicht. Sie ist nicht der Typ.«
    »Glaubst du, es gibt da einen bestimmten Typ?«
    Sie antwortete nicht darauf. Sie hatte bereits zuviel gesagt, führte ein Gespräch, das sie nicht hatte führen wollen.
    »Ich muß jetzt gehen«, sagte sie. Gefolgt von Barney, verließ sie das Haus. Sie schaute sich nicht nach Alexander um, aber sie fragte sich, ob er wohl nun zum Telefon gehen und Elena anrufen würde.
     
    »Wir sind fast auf der Höhe von Nottingham«, sagte Keith, »aber eigentlich wollte ich um diese Zeit schon viel weiter sein.«
    Er war ärgerlich. Sie hatten länger geschlafen als beabsichtigt. Beide waren völlig übermüdet gewesen, hatten sich auf dem Sofa eng aneinandergekuschelt und waren sofort eingeschlafen. Es war spät, als sie erwachten, und Keith hatte zum Aufbruch gedrängt.
    »Wir müssen los, schnell, beeil dich! Wir wollen doch möglichst früh in London ankommen!«
    Sie hatten sich angezogen und ihr leichtes Gepäck im Auto verstaut. Keith wollte im nächsten Dorf tanken. Ricarda hatte all ihr Geld mitgebracht: ein bißchen Erspartes und das, was ihr Elena bereits im voraus zu Ostern geschenkt hatte. Insgesamt verfügten sie nun über etwa zweihundert Pfund. Das gab ihnen nicht viel Spielraum, aber sie konnten damit bis London kommen und dort für ein paar Tage in einer billigen Absteige leben, bis sie beide Arbeit und eine Wohnung gefunden hatten. Im Tageslicht sah alles natürlich ein wenig anders aus als in der Euphorie der nächtlichen Stunden, und insgeheim fragten sich beide, wie sie dieses Abenteuer wohl durchhalten und bestehen sollten. Keiner mochte jedoch seine Angst dem anderen gegenüber preisgeben.
    »Wir werden zunächst ziemlich asozial wohnen«, sagte Keith. Er hatte das schon ein paarmal am Morgen gesagt, und Ricarda überlegte, ob er vielleicht weniger sie darauf vorbereiten als vielmehr
sich selbst Mut zusprechen wollte. »Es darf uns nur darum gehen, so billig wie möglich davonzukommen, das muß dir klar sein.«
    »Klar.«
    »Wenn wir jeder einen Job haben, wird es besser. Ich meine, du wirst mehr verdienen als ich, denn du kannst den ganzen Tag arbeiten. Ich muß ja meine Lehre machen. Wenn ich eine Lehrstelle finde.«
    »Du hast doch gesagt, in London wimmelt es nur so von Lehrstellen«, sagte Ricarda ein wenig verzagt.
    Keith lächelte optimistisch. »Schon. Tut es auch. Trotzdem weiß man nie, wie schnell so etwas geht. Es wird eine Durststrecke geben. Aber wir packen das schon!«
    Ricarda sah zum Fenster hinaus. Es war nicht allzuviel Verkehr auf der Autobahn, die in den Süden des Landes führte, sie kamen gut voran. Die Landschaft glitt rasend schnell vorüber: Felder, Wälder und Dörfer, kleine Städte, immer wieder Industrieanlagen. Überall begannen die Bäume zu blühen; Wärme und Sonne der letzten Tage hatten die Vegetation kräftig vorangetrieben. Am lichtblauen Himmel segelten ein paar Wölkchen. Ricarda wußte, daß

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