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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Den alten Leon abzugeben und ein neuer Mensch zu werden. Aussteigen und neu anfangen.
    Als Schaffarmer, dachte er, oder als Bauer. Ein kleines, bescheidenes Häuschen. Eine nette Frau. Abends wissen, was man geschafft hat. Von der Hand in den Mund leben, ernährt vom eigenen Land, von der eigenen Hände Arbeit. Am Ende eines Tages auf solch einer Wiese sitzen und den Schafen zusehen.
    Er mußte lachen über das naive Bild, das er von seinem Leben zeichnete.
    Er legte sich ins Gras zurück und blickte hinauf in den blauen Himmel.
     
    Ricarda hatte auf ein gemütliches Frühstück gehofft - sofern ein Frühstück in der Imbißgaststätte einer Autobahntankstelle überhaupt gemütlich sein konnte -, aber Keith, der ihr zunehmend nervöser vorkam, sagte, dazu hätten sie nicht die Zeit.
    »Wir müssen bis London! Und dort ein Dach über dem Kopf finden! Und vielleicht schon erste Erkundigungen einziehen!«
    »Welche Erkundigungen?«
    »Mensch, wegen eines Jobs! Was glaubst du, wie weit wir mit deinem bißchen Geld kommen?«
    Sie fühlte sich ein wenig elend, weil er so gereizt mit ihr umging, außerdem beunruhigt, weil er sich Sorgen zu machen
schien, aber sie versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, daß alles besser werden würde. Sie mußten sich nur erst an das neue Leben gewöhnen.
    »Ich werde tanken«, sagte Keith, »und du gehst so lange hinein und organisierst etwas zu essen und zu trinken. Aber gib bloß nicht zuviel Geld aus, hörst du?«
    Sie ging in die Raststätte, suchte die Toilette auf, wusch sich dort am Waschbecken mit kaltem Wasser das Gesicht und kämmte ihre Haare. Es erstaunte sie zu sehen, wie ängstlich ihre Augen dreinblickten.
    Im Verkaufsraum erstand sie zwei große Pappbecher mit heißem Kaffee und zwei in Plastik eingeschweißte Sandwiches mit Tomaten, Eiern und Mayonnaise. Es war nicht das Frühstück, das ihr vorgeschwebt hatte, aber es war billig, und Keith würde zufrieden mit ihr sein.
    Als sie hinaustrat, sah sie ihn an der Zapfsäule stehen, sein Handy ans Ohr gepreßt. Er entdeckte sie ebenfalls sofort und winkte ihr hektisch zu. Als sie ihn erreichte, beendete er gerade das Gespräch und schaltete den Apparat aus. Er war blaß geworden.
    »Meine Mutter hat angerufen«, sagte er. »Mein Vater ist zusammengebrochen. Es sieht wohl ziemlich ernst aus.«
    »Was hat er denn?«
    »Eine Art Schlaganfall oder so etwas. Der Notarzt ist da. Dad ist nicht bei Bewußtsein! Oh, Mist!« Er wühlte hektisch in seinen Haaren. »Ausgerechnet jetzt! Wir müssen umkehren, Ricarda! «
    »Aber du kannst ihm doch sowieso nicht helfen!«
    »Aber ich muß bei meiner Mum sein. Die ist am Durchdrehen. Die glaubt, daß er stirbt. Ich kann jetzt nicht einfach abhauen!«
    Sie reichte ihm einen Kaffeebecher. »Hier. Trink das erst mal.«
    Er trank ein paar Schlucke, verzog das Gesicht, weil der Kaffee so heiß war, schüttelte den Kopf, als er das Sandwich sah. »Ich hasse Eiersandwiches! Komm, steig ein. Wir müssen los!«

    »Du mußt noch das Benzin bezahlen«, erinnerte sie ihn, und fluchend entfernte er sich in Richtung Kasse.
    Sie sah ihm nach. Ihr war kalt, und sie merkte, daß sie vor Enttäuschung gleich zu weinen beginnen würde. So sehr sie sich gefürchtet hatte, so wenig hatte sie zurückgewollt. Ein zweites Mal würden sie nicht aufbrechen, das spürte sie.
    Sie warf beide Sandwiches in einen Abfallkorb. Sie hatte keinen Hunger mehr.
     
    »Wenn alles klar ist, geh ich dann«, sagte Steve. Wie immer, wenn er sprach, trat er von einem Fuß auf den anderen. »Oder kann ich noch etwas machen?«
    Patricia blickte auf. Sie war auf der großen Terrasse beschäftigt. Sie hatte die vertrockneten Pflanzen aus den Terrakottatöpfen entfernt, frische Erde aufgefüllt und war nun dabei, Geranien, Fuchsien und Margeriten zu pflanzen. Sie arbeitete konzentriert und mit dem für sie typischen Anspruch auf Perfektion.
    »Nein, Steve, den Rest erledige ich. Danke fürs Mähen. Erstaunlich, wieviel gepflegter so ein kurzer Rasen gleich aussieht! «
    »Am Tag, an dem Sie ankamen, hab ich ja morgens noch gemäht«, sagte Steve, »aber jetzt war es schon wieder so hoch. Im April und Mai kommt man nicht hinterher.«
    Patricia erhob sich, klopfte die Erde von ihren Hosen und ging, gefolgt von Steve, ins Haus, um ihm seinen Lohn auszuhändigen. Im Wohnzimmer stießen sie auf einen schlechtgelaunten Tim.
    »Ich kann meine Aufzeichnungen nicht finden«, sagte er wütend, »und ich will einfach nicht glauben, daß so

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