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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihrer Familie? Hätte er sie aufhalten müssen? Aber sie hatte von ihrem Freund gesprochen, also war sie vielleicht gar nicht allein unterwegs. Außerdem ging sie ihn nichts an. All die Menschen dort gingen ihn nur insoweit etwas an, als sie ihm bei der Verwirklichung seiner Pläne entweder halfen oder sich ihr in den Weg stellten. Der Rest konnte ihm gleichgültig sein.
    Um sieben Uhr stand er auf, als ihm klarwurde, daß er trotz
seiner brennenden Augen und der Mattigkeit in allen Gliedern nicht würde einschlafen können. Er ging im Zimmer auf und ab, dachte nach, analysierte sich und seine Situation, setzte sich in einen Sessel und versuchte sich auf ein Buch zu konzentrieren, aber auch das gelang ihm nicht. Er hörte sich die Nachrichten im Radio an und anschließend eine Sendung, in der Filme vorgestellt und besprochen wurden. Er hatte das Verlangen nach einem doppelten Whisky, aber es war zu früh am Morgen, um dem nachzugeben. Um neun Uhr beschloß er zu frühstücken. Er hatte am Vorabend nichts gegessen und merkte plötzlich, wie hungrig er war. Auf dem Weg zum Gastraum roch es bereits nach Eiern mit Speck, nach Toastbrot, gegrillten Champignons und Tomaten, aber als er eintreten wollte, entdeckte er Geraldine, die an einem der Tische saß, vor sich das obligatorische trostlose Glas mit Mineralwasser und sonst nichts. Sie saß seitlich zu ihm. Er konnte erkennen, daß sie schlecht aussah, fast so, als sei sie ernsthaft krank. Sie hatte verquollene Augen - vom Weinen, vermutete er - und war sehr blaß. Ihre Haare, die sie sonst so sorgfältig pflegte, wirkten strähnig.
    Sie ist richtig fertig, dachte er und trat vorsichtig den Rückzug an. Sie hatte ihn noch nicht gesehen, und er war absolut nicht in der Stimmung, jetzt eine Debatte mit ihr zu ertragen. Er überlegte, was er nun tun sollte. Er könnte natürlich anderswo frühstücken. Dann würde er einen Freund in London anrufen - einen Freund mit guten Kontakten. Vielleicht konnte der ihm einen Anwalt in Leeds empfehlen, und dann würde er versuchen, möglichst schnell einen Termin zu bekommen. Um wenigstens endlich mit einer kompetenten Person sprechen zu können. Wie und wovon er das Gespräch bezahlen sollte, mußte er sich dann später überlegen.
    In seinem Zimmer hatte er noch den Zweitschlüssel für Geraldines Auto, und er beschloß, sich den Wagen einfach auszuleihen. Er war damit wesentlich beweglicher, und zudem würde er Geraldine richtig glücklich machen: Ganz sicher schlug sie sich
mit dem Gedanken herum, eigentlich abreisen zu müssen, wenn sie ihre Selbstachtung behalten wollte, aber wenn er das Auto entführte, hatte sie einen guten Grund, länger zu bleiben.
    Das mindeste, was er für sie tun konnte, bestand darin, ihr eine Ausrede für ihre Unentschlossenheit zu liefern.
     
    »Ich dachte, ich frage einfach mal, ob es etwas zu tun gibt für mich«, sagte Steve. Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen. »Rasen mähen oder so …«
    »Wenn wir hier sind, kümmern wir uns eigentlich selbst um alles«, erwiderte Patricia. Sie stand in der Halle, streifte gerade ihre Gartenhandschuhe über. Sie trug Jeans und ein blauweiß kariertes Hemd. »Ich will heute sowieso ein paar Blumen pflanzen.«
    Steve nickte. Er sah eher aus wie ein Ire als wie ein Engländer mit seinen roten Haaren und seinem sommersprossigen Gesicht. Er war zweiundzwanzig Jahre alt, wirkte jedoch jünger.
    Wie ein Schuljunge, dachte Patricia. Wahrscheinlich brauchte er dringend Geld.
    Sie überlegte es sich anders.
    »Sie könnten hinter dem Haus den Rasen mähen«, meinte sie, »er hat es dringend nötig, und wer weiß, ob noch jemand von uns heute dazu kommt.«
    Steve lächelte erleichtert. »Alles klar. Ich fange gleich an.«
    Jessica kam aus dem Eßzimmer. Sie hatte noch ein wenig in Kevin McGowans Unterlagen gestöbert, jedoch nichts von größerem Interesse gefunden.
    »Ich gehe spazieren«, verkündete sie.
    »Was auch sonst«, sagte Patricia spitz.
    Alexander kam die Treppe herunter. Wie immer in der letzten Zeit sah er grau und sorgenvoll aus. »Ich kann Ricarda nirgends finden«, sagte er.
    Jessica sah ihn an. Trotz allem taten ihr sein offensichtlicher Kummer, seine Verstörtheit weh.
    »Wundert dich das?« fragte sie.

    »Ich sage dazu nichts mehr«, erklärte Patricia.
    »Jessica …«, sagte Alexander bittend.
    Sie konnte jetzt nicht mit ihm sprechen. Es war zuviel geschehen.
    »Ich mache einen längeren Spaziergang«, sagte sie, »wartet nicht mit dem

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