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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wie man das herausfinden kann, hatte Koshmar gesagt.
    Und es gab einen Weg. Der Barak Dayir konnte ihm vielleicht die Wahrheit sagen; doch während der Wochen, die verstrichen waren, seitdem er zum erstenmal den Mut aufgebracht hatte, den schimmernden Stein aus seiner Umhüllung zu holen und sein Sensororgan um ihn zu legen, war er mit für ihn außergewöhnlicher behutsamer Zurückhaltung verfahren und hatte seine Bemeisterung des magischen Dinges nur minutenlang, in allmählichen Schritten ausgedehnt. Er hatte gelernt, wie man den Stein zum Leben erweckt und wie man den starken Zauberschwall der in ihm enthaltenen Musik auslöst, und er hatte gelernt, wie er seine Stärke gegen die Grenzen seines Bewußtseins branden lassen mußte. Aber weiter war er bisher nicht vorzudringen bereit und mutig genug gewesen. Man konnte ja leicht einsehen, wie schnell der Wunderstein ihn verschlingen konnte, wie leicht er seine Seele gänzlich in den Strom und Strudel der alles Verstehen übersteigenden Stärke verstricken konnte. Und wenn er sich erst einmal diesem Strudel preisgegeben hatte, gab es vielleicht kein Zurück mehr. Und deshalb hatte er sich dazu gezwungen, dem Unwiderstehlichen Widerstand zu leisten. Er hielt sein Denken wach, beweglich und war auf der Hut: stets sprang er hastig zurück, wenn der Gesang des Barak Dayir zu süß verführend und verlockend wurde. Zwar tauchte er jedesmal, wenn er den Stein hervorholte, ein wenig tiefer in sein Wesen ein, aber er achtete darauf, daß er nicht von seiner Seele Besitz ergreife, wie insgeheim fürchtete, daß es der Fall sein könne; aber deshalb wußte er auch, daß er noch weit davon entfernt war, dieses rätselhafte, geheimnisvolle Instrument zu beherrschen.
    Der Sturm, der über uns gekommen ist, dachte er, ist die Strafe der Götter für meine feige Faulheit. Und wenn dieser Sturm vielleicht Koshmar dazu veranlaßt, in ihrem Schrecken sich zu erzürnen, dann werden die Götter sie führen, so daß sie ihren Zorn gegen mich richtet. Also muß ich handeln.
    Er aber sagte: »Ich werde den Wunderstein um Rat angehen, Koshmar. Und er wird mir verraten, was dieser Wettersturz zu bedeuten hat.«
    »Gut. Genau das hoffte ich, daß du tun würdest.«
    Er lief eilends in den sechseckigen Turm, der jetzt der Heilige Tempel war, und dort in die Kammer, in welcher er die Lade mit den Schriften aufbewahrte – und wo er in letzter Zeit auch meistens schlief, denn er fand sich in dem Gemeinschaftsschlafsaal, in dem die übrigen unverheirateten jungen Stammesmitglieder hausten, nicht mehr so recht am Platz. Ohne Zaudern zerrte er den Wunderstein aus seinem Beutel. Über ihm krachte entsetzlich der Donner des Unwetters.
    Er legte sein Sensororgan um den Stein und richtete rasch den Strahl seines Zweiten Gesichts darauf. Aufschub konnte nun nur noch einen Fehlschlag bewirken. Ab sofort drang von dem Stein diese fremdartige intensive Musik zu ihm, wie er sie ein dutzendmal und öfter erlebt hatte. Diesmal aber, da er wußte, daß er nicht schwanken dürfe, öffnete er sich und machte sich für diese Musik weit, wie es bisher nie so gewesen war. Er fühlte, wie die Musik von ihm Besitz ergriff – und er erlaubte es, daß er selbst in diese Musik überging, die Musik wurde.
    Er war eine Säule aus reinem Klang und hob sich, ohne auf Widerstand zu stoßen, bis zum Dach der Welt.
    Er schwang sich auf den Rücken des Sturms. Er ragte weit über Vengiboneeza empor wie ein Gott. Die Stadt erschien ihm wie ein Spielzeugmodell ihrer selbst. Die erhabenen Bergketten, die sie beschützten, kamen ihm nun nur wie schlichte niedere Bodenerhebungen vor. Das große Meer im Westen der Stadt war nichts weiter als eine bleigraue, windgezauste Pfütze, die halb versteckt unter schwarzen Wolkenwirbeln lag, die sich um seine Knöchel schmiegten. Jenseits erblickte er Land, und dahinter eine noch gewaltigere See, eine See, die sich schimmernd so gewaltig um die Krümmung der Welt bog, daß nicht einmal er – so kolossal groß er nun geworden war – die andere Küste ausmachen konnte.
    Er sah die Sonne. Er erblickte den Himmel, blau und strahlend über dem Rücken des Sturms. Er spähte nach Osten, wo der Große Fluß lag und ihr alter Kokon, und er sah, daß dort die Luft klar war und daß dort die Wärme des Neuen Frühlings noch herrschte…
    Es gab keinen Anlaß zu Ängsten. Der Barak Dayir hatte ihm verraten, was zu wissen ihm nottat. Nun konnte er wieder hinabsteigen und Koshmar die frohe Kunde

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