Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Baumwipfeln regte es sich, es waren kleine knackende Laute vernehmbar.
    »Da sind Affen«, sagte Konya.
    Harruel nickte. Sie schwangen sich durch die Baumwipfel, kaum weiter als einen guten Steinwurf entfernt, diese kreischenden, stinkenden, schnatternden Dschungelwesen. Wie sehr er sie verabscheute! Er hörte ein Rauschen in seinen Ohren. Wenn er nur könnte, er würde durch diesen Dschungel ziehen, von Baum zu Baum, und sie allesamt mit seinem Speer aufspießen und ihre widerwärtigen kleinen Kadaver zu einem Haufen auftürmen, damit die schnüffelnden Aasfresser sich ein Festmahl bereiten könnten.
    »Dreckiges stinkiges Zeug«, sagte Harruel. »Ich würd die am liebsten alle umbringen. Bloß gut, daß die sich aus der Stadt raushalten, meistens wenigstens.«
    »Ich seh manchmal welche. Aber nicht viele.«
    »Ja, ein paar, ab und zu. Ist ja nicht weiter schwer für die, hier reinzukommen. Die brauchen doch bloß da drüben die freie Stelle zu überwinden, und schon sind sie bei uns drinnen. Bloß gut für uns, daß es meistens jeweils nur einer oder zwei sind. Yissou, wie ich die verabscheue! Widerliches Dreckszeug!«
    »Harruel, es sind doch bloß wilde Tiere.«
    »Tiere? Schleimiges Ungeziefer sind sie. Du hast sie doch selber gesehen, ganz aus der Nähe. Die haben doch keine Seele. Die haben doch keinen Verstand.«
    »Aber die Saphiräugigen am Tor sagten, daß sie unsere Verwandten, unsere Vettern sind.«
    Harruel spuckte aus. »Dawinno! Glaubst du etwa so was Blödes?«
    »Ja, aber sie sehen uns doch wirklich ein bißchen ähnlich.«
    »Alles, was zwei Beine und zwei Arme hat und einen Schwanz und auf den Hinterbeinen geht, würde uns ähnlich sehen. Aber wir sind Menschliche, Konya, und sie – sie sind Tiere.«
    Konya schwieg eine Weile. »Du glaubst also, das ist so, Harruel? Aber wie steht es denn damit, was der Saphiräugige gesagt hat, daß nämlich wir selber überhaupt keine Menschen sind, daß die Menschen überhaupt eine ganz und gar verschiedene Rasse waren – und daß wir nichts weiter sind als übermäßig eingebildete Affen?«
    »Wir sind menschlich, Konya. Was sonst sollten wir denn sein? Hast du das Gefühl, du bist mit diesen Tieren verwandt, die da draußen an ihren Schwänzen baumeln?«
    »Aber der Saphiräugige hat gesagt…«
    »Ach, die Saphiräugigen sollen zu Dawinno fahren! Die sind nichts weiter als tote Lügner. Die wollen nichts, als uns Ärger machen!« Harruel wandte sich Konya zu und funkelte ihn eisig an. »Schau mal: Wir, wir denken, wir reden, wir haben Bücher, wir kennen die Götter. Also sind wir Menschliche. Ich weiß das einfach. Und ich habe keinen Zweifel daran. Und es spielt für mich keine Rolle, was ein Saphiräugiger sagen mag. Außerdem, sie haben uns ja in die Stadt reingelassen, oder etwa nicht? Und diese Stadt ist aufbewahrt und vorbehalten den Menschlichen, die da kommen werden, wenn der Winter zu Ende geht. Das sagen die Prophezeiungen. Und der Winter ist zu Ende, und wir sind hier, und zwar mit dem Einverständnis der Drei Wächter. Also sind wir klar genau jene, die hierher kommen sollten. Die Menschen, heißt das.«
    »Koshmar hat sie dazu bewogen, uns reinzulassen.«
    »Bewogen – die? Wo die Zauberkräfte in Händen haben? Nein, Konya, das war nicht Koshmars Werk. Sie hätte den ganzen Tag lang auf sie einreden können, aber wenn die gedacht hätten, daß wir keine Menschlichen sind, die hätten uns nie und nimmer eingelassen. Nein, die haben uns den Zugang erlaubt, weil es unsere Bestimmung war, hierher zu kommen, unser Recht, hierher zu kommen, und das wußten sie. Mit ihren blödsinnigen Lügen wollten sie uns nur auf die Probe stellen, ob wir über ausreichend Herzensstärke verfügten, unser Recht einzufordern. Wenn Koshmar nicht das Maul aufgemacht hätte, dann hätte ich es getan, und sie hätten sich mir gefügt. Und wenn sie nicht nachgegeben hätten, dann hätte ich diese drei Saphiräugigen niedergestreckt, um uns den Zutritt hierher zu verschaffen.«
    Nach einem weiteren längeren Schweigen fragte Konya: »Du hättest sie niedergestreckt? Wo die doch Zauber in den Händen haben?«
    »In diesem Speer steckt auch ein Zauber, Konya.«
    »Aber wie könntest du etwas töten, das nicht lebendig ist? Der Knabe Hresh sagt, es sind nur Künstliche in der Gewandung von Saphiräugigen, keine echten.«
    Harruel nickte beiläufig und gelangweilt. Er hatte das Interesse an dem Gespräch verloren. Er kniff die Augen gegen das Mondlicht zusammen und

Weitere Kostenlose Bücher