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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Augen lagen sehr weit auseinander und hatten eine Färbung, wie Koshmar sie noch nie gesehen hatte: bestürzend leuchtendes Rot wie die Abendsonne. Der Pelz war golden und lang und üppig, und in nichts dem Fell eines aus ihrem eigenen Stamme ähnlich. Trotz seiner Schlankheit und Grazilität wirkte der Fremdling stark und geschmeidig, wie ein feingeflochtenes Tau, das nie zerspellen kann. Seine Beine waren nahezu so lang wie die von Harruel, allerdings war er bei weitem nicht so massiv. Und auf dem Kopf trug er einen merkwürdigen Helm, durch den er sogar noch länger wirkte als Harruel.
    Dieser Helm war ein richtiger Alptraum. Ein hoher Konus aus einem dicken, schwarzen lederartigen Stoff, mit einem Visier, das vorn beinahe bis zur Stirn des Fremdlings reichte, und eine geriffelte Platte bedeckte hinten das gesamte Genick. Am Scheitelpunkt des Helms nach hinten zu befand sich ein Kreis aus goldenem Metall und fünf lange wie Speere davon aufragende Metallradien. Vorn, über der Stirn des Fremden, war das Abbild eines unheilverkündenden riesigen goldenen Insekts angebracht, die vier Flügel gespreizt, die gewaltigen Augen aus rotem Stein brannten in einem wilden Feuer.
    Bei flüchtigem Betrachten wirkte der Mann wie eine Art aufrecht wandelndes Ungeheuer mit einem scheußlichen furchterregenden Kopf; und erst wenn man genauer hinsah, erkannte man, daß der Helm künstlich war, ein bloßer Kopfschmuck, der unten am Hals mit grober fester Schnur verschnürt war.
    Konya und Harruel waren auf den Mann gestoßen, als sie in den Vorbergen auf Jagd waren. Er hatte sein Lager in einer Höhle dicht über der letzten Reihe von zerfallenen Villen aufgeschlagen, und wie es den Anschein hatte, hatte er hier schon einige Zeit gehaust, vielleicht bereits seit einer Woche, denn überall lagen die Knochen von kürzlich geschlachteten und gebratenen Tieren verstreut. Als sie ihn fanden – er saß still da, den Helm auf dem Schädel, und blickte starr über die Stadt hinweg –, sprang er sogleich auf und rannte an ihnen vorbei in den Hochwald hinauf. Sie verfolgten ihn, aber es war keine einfache Jagd. »Er rennt wie eins von den Tieren mit den roten Hörnern auf der Nase«, sagte Harruel.
    »Wie ein Tänzerhorn, ja«, kommentierte Konya.
    Mehrmals verloren sie seine Spur in dem wilden Waldgestrüpp, doch immer wieder verriet ihn der Goldschimmer seines Strahlenhelmes in der Ferne. Schließlich hatten sie ihn in einem Talkessel in die Enge getrieben, er hatte keine weitere Fluchtmöglichkeit; und obwohl er mit einem wundervoll gearbeiteten Speer gerüstet und durchaus in der Lage schien, ihn auch zu benutzen, leistete er keinen Widerstand, sondern ergab sich ihnen plötzlich ohne Gegenwehr und ohne ein Wort.
    Und er hatte auch seither kein Wort gesagt. Koshmars Blick hatte er ruhig erwidert, furchtlos, und er bewahrte weiterhin Schweigen, als sie versuchte ihn auszuforschen.
    »Mein Name lautet Koshmar«, begann sie. »Ich bin hier Häuptling. Nenne du mir deinen Namen, und wer dein Häuptling ist.«
    Als darauf weiter nichts als ein stummes ruhiges Augenstarren kam, befahl sie ihm im Namen der Götter, er solle sprechen. Sie rief Dawinno an, Friit, Emakkis und sogar Mueri, aber ohne Erfolg. Sie hatte den Eindruck, daß er bei dem Namen Yissou leicht reagierte, mit einem leisen Zucken der Lippen, aber er sprach noch immer nicht.
    »So sprich endlich, verdammter Kerl!« knurrte Harruel zornig und machte einen Schritt nach vorn. »Wer bist du? Was suchst du hier?« Und er fuchtelte mit dem Speer vor dem Gesicht des Fremden herum. »Rede, oder wir ziehen dir bei lebendigem Leib die Haut ab!«
    »Nein!« fuhr Koshmar scharf dazwischen. »Es ist nicht meine Absicht, so mit ihm zu verfahren!« Sie zog Harruel an ihre Seite zurück und sprach mit leiser Stimme zu dem Fremdling: »Es soll dir hier kein Leid geschehen, das verspreche ich dir. Aber ich frage dich noch einmal nach deinem Namen und nach dem Namen deines Volkes, und dann wollen wir dir Speise und Trank anbieten und dich unter uns willkommen heißen.«
    Doch der Fremde schien für Koshmars diplomatisches Manöver genauso unzugänglich zu sein wie gegenüber dem Machtgedröhn Harruels. Er starrte nur weiter Koshmar an, als habe sie schieren Unsinn von sich gegeben.
    Sie pochte sich dreimal mit dem Zeigefinger auf die Brust und sagte laut und deutlich: »Koshmar.« Dann zeigte sie auf ihre zwei Leibgardisten und sagte: »Harruel. Konya. Koshmar, Harruel, Konya.« Dann streckte sie

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