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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wurde bewußt, daß er zum erstenmal in seinem Leben einem Menschen gegenüberstand, der größer war als er selbst. Aber der ausgedörrte zerknitterte alte Leib des Behelmten war so leicht und spillerig wie der eines Wasserläufers. Ein deftiger Windhauch, und er würde in zwei Stücke zerbrechen. Harruel verspürte eine Versuchung, die beiden mit zwei raschen Speerstößen niederzustechen, zunächst den Stolzen, dann den Gebrechlichen. Aber die Stimme in seinem Innern, die ihn vor übereiltem Tun zurückhielt (oder es doch versuchte), sprach zu ihm und warnte ihn, was er beabsichtige, sei Wahnsinn, und er dürfe nichts unternehmen, ohne die Lage genauer zu überschauen.
    Er näherte sein Gesicht dem der zwei hageren alten Behelmten, die ihn ihrerseits mit einer Mischung von Hochmut und Neugier musterten.
    »Wer seid ihr zwei?« röhrte Harruel. »Was habt ihr hier zu suchen?«
    Koshmar sagte: »Tritt zurück, Harruel! Es besteht kein Anlaß für solch ein Getöse.«
    »Ich verlange zu wissen…«
    »Verlange nichts von mir«, sagte Koshmar. »Ich befehle hier, und du hast zu gehorchen! Mach Platz, Harruel! Diese Leute sind das Beng-Volk, und sie kommen in Frieden.«
    »Das ist es, was du glaubst«, sagte Harruel.
    Immer noch hielt ihn rasender Zorn gepackt, der ihn beinahe überwältigt hätte. Seine Haut fühlte sich glühend heiß an; es tobte in seinen Augäpfeln, sein Fell klebte von Schweiß. Er konnte das Eindringen von Fremden nicht dulden! Beklommen blickte er die in der Nähe Stehenden an: Hresh und Torlyri und Sachkor…
    Sachkor?
    Was hatte Sachkor hier zu suchen? Der war doch vor einer halben Ewigkeit verschwunden.
    »Du«, knurrte Harruel. »Wo kommst du denn auf einmal her? Und wieso stehst du hier mitten in einer Versammlung von Führern, als wärest du jetzt auch eine wichtige Persönlichkeit?«
    »Ich habe die Behelmten hergeführt«, erklärte Sachkor hochnäsig. In seinen Augen blitzte ein vollkommen neues anmaßendes Funkeln. Er wirkte wie verwandelt, wie ein neuer Mensch und war ganz und gar nicht mehr der, an den Harruel sich erinnerte. »Ich bin ausgezogen, sie zu suchen, und ich habe bei ihnen gelebt und gelernt, in ihrer Zunge zu reden. Und ich führte sie nach Vengiboneeza, damit sie mit uns Handel treiben und friedlich mit uns leben können.«
    Harruel war dermaßen verblüfft über das, was Sachkor da soeben gesagt hatte, und vor allem darüber, wie er es gesagt hatte, daß ihm die Antwort wie ein Kloß im Halse steckenblieb. Es verlangte ihn danach, Sachkors grinsendes Gesicht mit seinen beiden Händen zu packen und es wie eine reife Frucht zu zerquetschen. Aber er hielt sich im Zaum. Er stand wie erstarrt da. Er gab einen Augenblick lang ein rauhes Keuchen von sich wie ein Tier, dann gelang es ihm schließlich zu sprechen: »Du hast diese da hergeführt? Du hast unseren Feinden geholfen, in die Stadt zu gelangen? Daß du ein Narr bist, das wußte ich, Junge, aber ich hätte niemals geglaubt, daß du so…«
    »Sachkor!« rief eine andere Stimme laut, die Stimme einer Frau.
    Kreuns Stimme.
    Sie kam die Straße herausgerannt, atemlos, ab und zu stolperte sie über brüchige Stellen der uralten Pflasterung. Allgemeine Unruhe kam auf. Die vom Stamm öffneten ihr eine Gasse, und sie rannte direkt auf Sachkor zu und stürzte sich mit solcher Kraft in seine Arme, daß sie beide fast gegen Harruel geprallt wären.
    Harruel trat finsteren Blicks ein, zwei Schritt zurück. Kreuns süßer Moschusduft drang scharf in seine Lungen. Seit jener Begegnung beim Abstieg vom Berg, nach der Regennacht im Baum, hatte er sie kaum zu Gesicht bekommen, und es war ihm gar nicht angenehm, sie jetzt wiederzutreffen. Das Kindweib würde bloß Ärger bedeuten. Während all der langen Wochen, in denen Sachkor verschwunden war, hatte sie wie eine zerbrochene Puppe in den dunkelsten Winkeln der Siedlung gekauert, sich von allen ferngehalten und kaum je mit den anderen gesprochen, ganz als habe Harruel eine düstere Verwandlung in ihrer Seele bewirkt, an jenem Tag, da er sie mit Gewalt genommen hatte.
    Nun aber hatte sie nur Augen für Sachkor. Sie klammerte sich eng an ihn, sie schluchzte, sie lachte, flüsterte ihm zärtliche Worte zu. Die beiden führten sich auf wie lang von einander getrennte Liebespartner, und nicht wie zwei normale junge Leute, die spielerisch ein bißchen miteinander kopuliert hatten.
    »Sie haben mich dazu zu bringen versucht, daß ich glaube, du bist für immer fort«, murmelte Kreun, indem

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