Am Ende des Winters
dahinschießenden Sturzbach davongerissen würde. Krieg und Kampf konnte sie begreifen, das da aber nicht.
»Sie belügen dich«, murrte sie störrisch. »Es ist eine Hinterlist.«
»Nein, Koshmar. Keine List. Und kein Trug.«
Sachkor wies auf zwei der Behelmten, und diese traten vor und stellten sich an seine Seite. Der eine war alt und hatte pfiffige Augen, und er wirkte irgendwie vertrocknet und runzlig, was Koshmar ein wenig an Thaggoran, ihren Stammeschronisten, erinnerte. Sein Pelz war fahlgelb, beinahe weiß; er trug einen spitzkegeligen Helm, der sich aus prächtig punzierten verschiedenfarbenen Metallreifen zusammensetzte und in einer gerundeten Spitze endete. Gewaltige schwarze Metallohren sprangen an den Seiten hervor wie Flügel.
»Dies ist Hamok Trei«, sagte Sachkor. »Er ist ihr Häuptling.«
»Der? Ein Mann als Häuptling?«
»Ja«, sagte Sachkor. »Und dieser hier ist ihr Weiser Mann, also was wir den Chronisten nennen würden. Sein Name lautet Noum om Beng.« Er deutete auf einen wuschelbärtigen Mann, beinahe so alt wie Hamok Trei, aber noch verhutzelter und verwitterter als dieser. Er war erstaunlich hochgewachsen, weit größer als Harruel, doch dermaßen schlank und zerbrechlich, daß er kaum kräftiger als ein Schilfrohr wirkte. Noum om Beng stand nach vorn gekrümmt da. Sein Helm war ein verbluffendes Ding aus schwarzem Metall mit Büscheln grober schwarzer Haare, und ein Paar langer gekrümmter blauroter Auswüchse, vielgliedrig und gezackt und irgendwie an Fledermausflügel erinnernd, ragte seitlich nach oben.
Noum om Beng trat ein, zwei Schritte dichter an Koshmar heran und schlug eine Reihe Zeichen in die Luft vor ihr, die beinahe die Zeichen der Großen Fünf hätten sein können, nur daß sie es eben nicht waren. Die Gesten waren verschieden und ergaben für Koshmar keinen begreifbaren Sinn. Irgendwelche heiligen Symbolzeichen waren es gewiß, aber sie mußten zu einer vollkommen anderen Götterschar gehören.
Aber, wie denn das? Wie konnte es andere Götter geben? Der Gedanke ergab keinen Sinn. Und sie erinnerte sich, wie Hresh es ihr damals zu erklären versucht hatte, als sie den Behelmten zu befragen versucht hatten, daß der Fremdling vielleicht eine andere Sprache spreche – also andere Wörter als sie benutze, auch wenn deren Bedeutung die gleiche sei. Widerstrebend hatte Koshmar diese Möglichkeit zugegeben, so verwirrend sie auch sein mochte. Aber auch noch andere Götter? Fremde Götter? Es gibt keine anderen Götter als die Fünf. Und dieses Volk da würde kaum zu nicht-existierenden Göttern beten, außer es war ein Volk von Verrückten. Und dafür hielt Koshmar die Behelmten nicht.
So sprach sie zu Sachkor: »Woher kommt dir Kunde von ihren Namen und ihrem Rang? Kannst du mit ihnen reden?«
»Ein wenig«, sagte Sachkor. »Anfangs konnte ich sie überhaupt nicht verstehen, und sie mich auch nicht. Doch ich stürzte mich in die Aufgabe, und nach und nach gelang es mir, ihre Sprache zu erlernen.« Er lächelte. Er schien sich Mühe zu geben, aber keine allzu gewaltige, nicht zu zeigen, wie zufrieden er mit sich war.
»Dann sage diesem Häuptling da, er soll etwas zu mir sprechen.«
»Der Häuptling spricht selten. Noum om Beng spricht an seiner Stelle.«
»Dann bitte diesen.«
Sachkor wandte sich dem gespenstischen Greis zu und sagte etwas zu ihm, das für Koshmars Ohren wie das Gebell einer Bestie klang. Noum om Beng runzelte die Stirn und zupfte an seinem schütteren weißen Bart. Sachkor bellte noch einmal, und darauf nickte der Alte und bellte etwas zurück. Und mit großem Nachdruck sprach Sachkor ein drittesmal. Aber was er diesmal gesagt hatte, war wohl nicht ganz richtig gewesen, denn Noum om Beng wandte taktvoll den Blick ab, während die anderen in der Parlamentärgruppe der Behelmten in scharfes Gelächter ausbrachen. Sachkor wirkte beschämt; Noum om Beng lehnte sich schwankend zur Seite und sprach flüsternd mit Hamok Trei, dem Häuptling.
Koshmar ihrerseits murmelte Hresh zu: »Was glaubst du, was da vorgeht?«
»Es ist wahre Rede«, antwortete Hresh. »Sachkor versteht sie, wenn auch nicht gut genug. Ich selbst kann sie auch beinahe verstehen. Die Worte sind wie bei uns, aber alles ist ein bißchen verdreht und auseinandergerissen. Mit dem Zweiten Gesicht kann ich die zugrundeliegende Bedeutung erfühlen – oder doch wenigstens den Schatten von Bedeutung.«
Koshmar nickte. Inzwischen war ihr Vertrauen in Hreshs Einblick in die Geschehnisse
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