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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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von Harruel aus. Fast erbärmlich wirkt er, dachte Hresh. Doch trotzdem gefährlich.
    Er kann Sachkors Tod nicht gewollt haben, entschied Hresh. Aber dennoch, Sachkor war tot.
    »So etwas muß seine Strafe finden«, sagte Koshmar.
    »Er ist ganz allein in den Speer gerannt«, wiederholte Harruel hartnäckig. »Ich hab mich nur verteidigt.«
    »Und die Vergewaltigung Kreuns?« fragte Koshmar.
    »Auch dies streitet er ab«, schrie Kreun. »Aber er lügt! Er lügt genauso, wie wenn er behauptet, er hat Sachkor nicht töten wollen. Er hat ihn gehaßt. Immer schon. Sachkor hat es mir gesagt, ehe er fortging, und er hat mir noch viele andere Dinge über Harruel gesagt. Er hat gesagt, Harruel will Koshmar entmachten. Harruel will über den Stamm herrschen. Harruel sagt, er wird König sein, und das ist so etwas wie ein männlicher Häuptling. Harruel…«
    »Still«, sagte Koshmar. »Harruel, leugnest du die Vergewaltigung?«
    Harruel schwieg.
    »Wir müssen dem auf den Grund kommen«, sagte Koshmar. »Hresh, hol die Schimmersteine. Wir werden das Orakel befragen. Nein, noch besser, hol lieber deinen Wunderstein! Wir werden Harruel mit diesem befragen. Wir werden herausfinden, was zwischen ihm und Kreun war, wenn da wirklich etwas war, und wir werden…«
    »Nein«, sagte Harruel plötzlich. »Diese Untersuchung ist unnötig. Und ich werde sie nicht zulassen. Und was die Aussage von Kreun angeht, da gab es keinen Zwang.«
    »Lügner!« schrie Kreun.
    »Es gab keine Gewalt«, fuhr Harruel fort, »aber ich will nicht abstreiten, daß ich mit ihr kopuliert habe. Ich war auf dem Berg, um den Stamm gegen seine Feinde zu beschützen, eben jene Feinde, die jetzt direkt in unsere Mitte geritten kamen. Ich saß dort die ganze Nacht im Regen, um den Stamm zu schützen. Und am Morgen stieg ich herab, und ich traf Kreun, und Kreun wirkte meinen Augen angenehm, und ihr Duft war mir angenehm in den Nüstern, und so griff ich nach ihr und nahm sie und kopulierte mit ihr, und das ist die Wahrheit der Geschichte, Koshmar.«
    »Und du tatest dies mit ihrer Zustimmung?« fragte Koshmar.
    »Nein!« schrie Kreun! »Ich habe nicht eingewilligt! Ich war auf der Suche nach Sachkor und fragte Harruel, ob er ihn gesehen hatte, und daraufhin packte er mich – er war von Sinnen, er nannte mich Thalippa, er hielt mich für meine eigene Mutter – er packte mich und warf mich nieder auf die Erde und…«
    »Ich sprach zu Harruel«, sagte Koshmar. »Also, Harruel, war das Geschehen einverständlich? Hast du sie gebeten, mit dir zu kopulieren, wie ein Mann ein Weib bittet – oder ein Weib einen Mann?«
    Wieder schwieg Harruel.
    »Dein Schweigen spricht dir das Urteil«, sagte Koshmar. »Auch ohne die Befragung mit dem Barak Dayir bist du verurteilt und verflucht, weil du Dinge getan hast, die bisher in diesem Stamm unbekannt waren, indem du Kreun ohne ihre Einwilligung genommen hast und indem du Sachkor niederge…«
    »Ihre Einwilligung war nicht nötig«, sagte Harruel plötzlich.
    »Nicht nötig? Nicht nötig?«
    »Ich nahm sie, weil ich das Bedürfnis hatte, nachdem ich auf Wache für den Stamm eine schwere und einsame Nacht zugebracht hatte. Und weil ich sie begehrte, da sie mir schön und begehrenswert erschien. Und weil es mein Recht war, Koshmar.«
    »Dein Recht? Ihr Gewalt anzutun?«
    »Ja, mein Recht, Koshmar. Denn ich bin König und kann tun und lassen, was mir beliebt.«
    Ihr Götter, schützt uns vor dem, dachte Hresh entsetzt.
    Koshmars Augen wurden so groß, daß es schien, als würden sie ihr aus den Höhlen springen. Sie glotzte geradezu vor bestürzter Verblüffung.
    Dann schien sie eine gewaltige Anstrengung zu machen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Sie wandte sich mit gepreßter Stimme scharf an Hresh: »Was heißt dies, das Gerede um dieses Wort ‚König’, das mir in diesen Tagen so oft an die Ohren schallt? Würde mir der Chronist das erklären?«
    Hresh fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Es handelt sich dabei um einen Titel aus der Zeit der Großen Welt«, sagte er heiser. »Das Wort bedeutet eigentlich einen dank seiner Vornehmheit und seiner vorzüglichen Abstammung zur Führerschaft geeigneten Mann. Also, einen männlichen Stammeshäuptling, ganz so, wie Kreun das vorhin gesagt hat.«
    »Es gibt in unserem Stamm keine Manns-Häuptlinge«, sagte Koshmar.
    Von Harruel schwoll daraufhin eine gewaltige Woge heran, kraftvoll und fremdartig. Hresh spürte sie mit seinem Zweiten Gesicht auf, und ihre Stärke warf

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