Am Ende des Winters
Bettlager, ein schlichter Standaltar oder dergleichen in einer Nische, an der Wand ein paar Speere und Wurfstöcke, einige kleine Korbtruhen, die Kleidung oder andere persönliche Gegenstände enthalten mochten.
Torlyri entdeckte nirgends Anzeichen für die Gegenwart einer Frau in dieser Einrichtung. Daraufhin überkam sie eine heftige freudige Erleichterung; und dann war sie beschämt, weil sie solch große Erleichterung verspürte.
Trei Husathirn kniete vor seinem Altar nieder und flüsterte einige Worte, die sie nicht hören konnte, dann legte er mit sichtlicher Ehrerbietung seinen Helm in die Altarnische. Und dann erhob er sich und trat auf sie zu, und sie standen da, von Angesicht zu Angesicht, und keiner sprach ein Wort.
Sie dachte an all die Worte, die sie ihm zu sagen sich vorgenommen hatte, sobald sie endlich einmal allein sein sollten, nun da sie sich endlich angemessen mit ihm unterhalten konnte, und sie erkannte nun mit einem Schlag, wie aberwitzig die kleine Rede war, die sie sich zusammengebastelt hatte. Ihm von Liebe reden? Wie? Mit welchem Recht? Sie waren einander Fremde. Bei den gelegentlichen Begegnungen, wenn Angehörige des einen Stammes zu Gast bei dem anderen weilten, hatte es ihnen Spaß gemacht, einander zu beäugen, einander zuzublinzeln, zu grinsen und auf Gegenstände zu deuten und zu lachen, weil ihnen etwas auf einmal lustig vorgekommen war, und nur die Götter mochten wissen, warum. Aber nichts war je zwischen ihnen vorgegangen. Nichts. Bis vor wenigen Minuten hatte sie nicht einmal seinen Namen gekannt. Und er hatte weiter nichts von ihr gewußt, als daß sie die Opferfrau ihres Stammes sei, und auch das war vielleicht für ihn ohne irgendeine reale Bedeutung. Und nun standen sie da, von Angesicht zu Angesicht, und waren stumm und hatten alle beide nicht die geringste Vorstellung davon, was sie als nächstes tun oder sprechen sollten.
Zu ihrem Entsetzen hob sich Torlyris Hand zu seiner rechten Schulter und fuhr zart über die lange schmale Narbe, die von dem fleischigen Teil seines Oberarms bis seitlich an den Hals verlief. Dort waren die Pelzhaare ausgegangen, und die glatte rosigsilberne Haut fühlte sich seltsam an – wie feines altes Pergament. Als ihr bewußt wurde, was sie tat, wich sie hastig zurück, als hätte sie ihre Hand in eine Feuerlohe gesteckt.
»Von den Hjjk«, sagte er. »Als ich ein Junge war. Ihre Schnäbel, sehr scharf. Drei von ihnen sind dafür gestorben.«
»Es tut mir ja so leid.«
»Oh, es ist lange her. Ich denke selten daran.«
Das Zittern überkam sie wieder. Torlyri zwang sich zur Beherrschung. Seine Augen ruhten ohne Schwanken auf ihrem Gesicht, auf ihren Augen, und sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. Sie waren beide fast gleich groß, aber schließlich war sie ja ziemlich hochgewachsen für eine Frau. Er strahlte eine große Kraft aus. Eindeutig – er war ein Krieger, und gewiß ein tapferer.
Und nun war er an der Reihe und berührte sie. Sacht fuhr er mit den Fingern über die scharfe weiße Spirale, die von ihrer rechten Schulter über die Brust bis zur Hüfte durch ihr Fell verlief, und dann strich er mit der Hand über den seitenverkehrten Streifen an ihrer linken Flanke.
»Sehr schön«, sagte er. »Dieses Weiß. Nie habe ich etwas Vergleichbares gesehen.«
»Es… es ist nicht weit verbreitet bei uns.«
»Du hast ein Kind, Torlyri? Mit diesem Weiß?«
»Ich habe keine Kinder. Nein.«
»Einen Mann? Du hast einen Mann?«
Sie sah den gespannten Ausdruck in seinem Gesicht.
Am einfachsten wäre es gewesen, wenn sie ihm erzählt hätte, was schließlich die reine Wahrheit war: Nein, ich habe keinen Mann. Doch war dies nur ein Teil der Wahrheit, doch sie wollte dringend, daß er mehr erfahre. »Ich hatte einmal für eine Weile einen Mann«, sagte sie. »Aber er ging fort.«
»Ach.«
»Er ging weit fort. Ich werde ihn nie wiedersehen.«
»Das tut mir sehr leid, Torlyri.«
Sie brachte ein zuckendes Lächeln zustande. »Ach, wirklich?«
»Es tut mir leid, daß du verletzt worden bist, ja. Nicht, daß der Mann fortgezogen ist. Nein, das könnte ich nicht behaupten.«
»Ach«, sagte diesmal sie.
Dann waren sie wieder stumm, doch nun war es ein anderes Schweigen als das vorherige verlegene und steife.
Dann sagte sie: »Es war in meinem Stamm niemals Brauch, daß die Opferfrau sich einem Gefährten verbindet, aber als wir dann aus dem Kokon auszogen, veränderte sich alles und es kamen neue Sitten auf. Und mir wurde bewußt,
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