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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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muß Mittel und Wege finden, um die Übergriffe der Beng zum Stillstand zu bringen.
    Sie überquerte den Platz und trat in das Lagerhaus, in dem die Artefakte aus der großen Welt aufbewahrt wurden. Sie hoffte, Haniman hier zu finden, um das einfachste der Bedürfnisse zu erledigen, die ihr an diesem Morgen zu schaffen machten.
    Doch statt Hanimans stieß sie auf Hresh, der trübsinnig zwischen den rätselhaften uralten Gerätschaften umherstapfte, die er und seine Sucher gesammelt hatten und die man seit der Ankunft der Beng weitgehend vernachlässigt hatte. Er blickte von irgendeinem Kram auf, sprach sie jedoch nicht an.
    »Stör ich?« fragte sie.
    »Nicht sonderlich. Willst du irgendwas?«
    »Ich war auf der Suche nach… naja, das spielt keine Rolle. Du siehst bedrückt aus, Hresh.«
    »Genau wie du.«
    »Es ist dieser Mistwind. Ob der je wieder aufhört zu blasen, was meinst du?«
    Er zuckte die Achseln. »Er wird aufhören, wenn er aufhört. Im Norden hängt Regen, und diese trockne Luft strömt darauf zu.«
    »Du durchschaust so viele Dinge, Hresh.«
    Er wandte das Gesicht ab und sagte: »Ich begreife kaum überhaupt etwas.«
    »Irgendwas macht dich aber wirklich elend.« Sie schob sich näher an ihn heran. Mit hängenden Schultern stand er da und sagte nichts, spielte nur uninteressiert mit einem silbrigen komplizierten Gerät herum, dessen Funktionszweck bislang keiner hatte bestimmen können. Wie mager er ist, dachte sie. Wie wenig stabil! Und auf einmal quoll ihr das Herz über vor heftiger Liebe zu ihm. Sie erkannte, daß effektiv er vielleicht sich vor ihr fürchtete, er, dessen große Weisheit und rätselhaften Geisteskräfte sie als dermaßen furchteinflößend empfunden hatte. Sie hätte gern den Arm um ihn gelegt, so wie Torlyri es gewohnt war zu tun, um ihn zu trösten und ihn dann in eine warme Umarmung zu ziehen. Doch er war durch einen Vorhang von Kummer entzogen, hinter dem er sich verbarg.
    Sie sagte: »So erzähl mir doch, was dich beunruhigt.«
    »Hab ich gesagt, irgendwas täte dies?«
    »Das kann ich dir am Gesicht ablesen.«
    Ärgerlich schüttelte er den Kopf. »Laß mich in Ruhe, Taniane! Suchst du Haniman? Ich weiß nicht, wo er ist. Möglich, daß er mit Orbin unten am Wasser zum Fischen ist, oder…«
    »Ich bin nicht wegen Haniman hergekommen«, sagte sie. Und dann hörte sie sich zu ihrer eigenen großen Überraschung hinzufügen: »Ich hab dich gesucht, Hresh.«
    »Mich? Was hast du denn mit mir im Sinn?«
    In ihrer Verzweiflung improvisierte sie: »Könntest du mich ein paar Worte der Bengsprache lehren? Was meinst du? Nur ein bißchen davon?«
    »Was, du auch?«
    »Hat dich denn schon jemand darum gebeten?«
    »Torlyri. Dieser Beng, den sie da hat, der mit der Narbe, mit dem sie immer so herumgealbert und geflirtet hat – sie liebt ihn, hast du das nicht gewußt? Vor ein paar Tagen ist sie zu mir gekommen und hat einen ganz merkwürdigen komischen Ausdruck in den Augen gehabt. Lehre mich bengisch, sagte sie. Du mußt mir das Beng beibringen. Sofort mußt du es mich lehren. Sie hat darauf bestanden. Hast du jemals erlebt, daß Torlyri hartnäckig etwas gefordert hätte?«
    »Und du, was hast du getan?«
    »Ich habe ihr beigebracht, wie man auf bengisch spricht.«
    »Hast du tatsächlich? Ich dachte immer, du kannst selber noch nicht genug davon, um anderen mehr als ein paar Worte beizubringen.«
    »Nein«, sagte Hresh mit sehr leiser Stimme. »Ich habe gelogen. Ich spreche die Bengsprache wie ein Beng. Ich habe den Barak Dayir benutzt, um es vom Alten Mann ihres Stammes zu erlernen. Aber ich behielt das alles für mich, so war das Ganze. Nur, Torlyri konnte ich die Bitte nicht verweigern, als sie mich dermaßen dringlich bat. Und nun spricht also auch sie bengisch.«
    »Und ich bin die nächste, die es lernen wird.«
    Hresh wirkte ganz aufgeregt und unendlich verlegen.
    »Taniane – bitte – Taniane…«
    »Bitte, was? Es ist deine Pflicht, mich zu unterrichten, Hresh. Uns alle zu unterrichten. Diese Leute sind unsere Feinde. Und wir müssen in der Lage sein, sie zu verstehen, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen wollen, verstehst du denn das nicht?«
    »Sie sind nicht unsere Feinde«, sagte Hresh.
    »Ja, das versuchen sie die ganze Zeit uns glauben zu machen. Nun, vielleicht sind sie’s, oder sie sind es nicht, aber wie sollen wir je herausfinden, was sie sind, wenn wir nicht dahinterkommen, was sie sagen? Und du bist der einzige, der das weiß – außer jetzt auch noch

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