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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verstand. Das Lächeln war unmißverständlich. Koshmar verlangte es nach ihrem Tvinnrpartner; sie hatten sich seit dem Auszug aus dem Kokon noch nicht ein einzigesmal gedoppelt.
    Daheim im Kokon gab es die Tvinnr-Kammern für derlei intime Aktivitäten, doch hier, unter der gewaltigen offenen Kuppel des Firmaments war Heimlichkeit nicht möglich. Und inmitten der ungewohnten angespannten Atmosphäre des Trecks war ihnen Tvinnr irgendwie nicht passend erschienen. Jedoch Doppeln war für das Wohlsein der Seele wesentlich. Und allem Anschein nach vermochte Koshmar nicht länger zu warten und war deshalb Torlyri zur Opferstelle gefolgt. Torlyri freute sich darüber. Freudig streckte sie ihrer Tvinnr-Partnerin die Hand entgegen. Koshmar schlitterte die Böschung herab an ihre Seite.
    Das Geschöpf wand sich noch immer zuckend in der Erde. Koshmar zog das Messer. »Wenn du es nicht töten magst, dann tu ich es.«
    »Nein«, sagte Torlyri.
    »Nein? Aber wieso nicht?«
    »Es hat uns nichts getan. Wir wissen nicht, was es ist. Warum können wir es nicht einfach in Ruhe lassen und woanders hingehen?«
    »Weil ich es verabscheue. Es ist scheußlich.«
    Torlyri starrte sie seltsam an. »Noch nie hab ich dich so sprechen hören. Töten ohne Grund, nur um zu töten, Koshmar? Das paßt nicht zu dir. Tu ihm nichts, ja? Ohne Not zu töten – das ist eine Sünde wider den Ernährer. Laß die Kreatur in Ruhe!« Etwas bedrückte Koshmar schwer, soviel war deutlich. Torlyri bemühte sich, sie abzulenken. »Du, schau dir noch mal die Burg an, die die Insekten dort gebaut haben.«
    Gleichgültig sagte Koshmar: »Wie interessant.«
    »Nicht wahr? Schau mal, da haben sie ein kleines Tor gemacht, und da Fenster und Verbindungswege, und hier unten…«
    »Ja, es ist wunderbar«, sagte Koshmar, ohne hinzusehen. Sie steckte das Messer fort; anscheinend hatte sie auch das Interesse an dem Seilgeschöpf verloren. »Komm, laß uns doppeln, Tvinnr Torlyri«, sagte sie.
    »Gern. Gleich hier, meinst du?«
    »Gleich hier! Und jetzt! Es ist schon eine Million Jahre her, seit…«
    »Ja. Ja, natürlich.«
    Torlyri nickte zustimmend. Sanft fuhr sie mit der Hand über die Wange ihrer Partnerin, und sie legten sich gemeinsam nieder. Ihre Sensororgane berührten sich, zogen sich zurück, betasteten einander aufs neue. Dann umwanden sie sich gegenseitig sacht mit den Sensororganen und vollzogen jene behutsamen und Umschlingungsbewegungen der Tvinnr und glitten in die Anfangsstadien ihrer Zusammenfügung hinüber.
    Eine Stufe nach der anderen erreichten sie die Eingliederung, leicht, mühelos, mit der Gewandtheit, die aus der langen Vertrautheit miteinander erwachsen war. Sie waren Tvinnr-Partnerinnen seit ihren Jungmädchenjahren, und sie hatten nie Verlangen nach irgend jemand sonst gehabt, ganz so, als wären sie als die zwei Hälften eines einzigen Ganzen geboren worden. Manche hatten Probleme mit dem Tvinnr; Koshmar und Torlyri, niemals.
    Dennoch gab es diesmal kleine Momente des Zögerns und der verfehlten Kontakte, auf die Torlyri nicht vorbereitet gewesen wäre. Koshmar war ungewöhnlich angespannt und starr; ihre ganze Seele schien froststarr zu sein, wie ein Stab aus einem biegsamen Metall, der lange an einem kalten Ort verweilte. Vielleicht kommt es nur daher, daß wir so lange nicht mehr getvinnrt haben, dachte Torlyri. Doch wahrscheinlicher war, daß das Problem vielschichtigere Ursprünge hatte als nur bloße Enthaltsamkeit. Sie öffnete sich für Koshmar, und während ihre Seelen sich mischten, mühte sie sich, aus Koshmars Seele zu lösen, was immer an Dunklem, Bedrückendem dorthin eingedrungen war.
    Es handelte sich um eine viel intimere Verschmelzung als sie bei der bloßen Kopulation üblich ist; ein Akt, den Koshmar stets verabscheut und vermieden hatte und den Torlyri im Verlauf der Jahre nur zwei-, dreimal ausprobiert hatte, ohne dabei sehr viel davon zu haben. Die meisten Stammesangehörigen kopulierten nur selten, denn die Kopulation führte oftmals zu Befruchtung, und die Austragung einer Frucht mußte notwendig selten sein, da das Bedürfnis, Nachwuchs für den Stamm zu schaffen, im Kokon sich so selten ergab. Aber Tvinnr – ach, Tvinnr, die Dopplung, das war etwas anderes! Es war eine Methode der Liebe, ja, und eine Methode der Heilung, und zuweilen war es auch eine Methode, Wissen zu erwerben, das anders nicht gewonnen werden konnte; aber es war noch vieles andere außerdem.
    Ihre Leiber hielten einander umschlungen, und ihre

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