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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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spiralige Anordnung metallischer Streben und Röhren, die wenige Fuß über dem Grund begann und dann in Zickzacksprüngen von Wand zu Wand verlief, höher und höher hinauf, in einem derart komplizierten Muster, daß ihm schwindlig wurde, als er versuchte, ihm zu folgen. Zunächst konnte er das Muster nur ein paar Stockwerke hoch nachvollziehen, doch je mehr sich seine Augen an die Düsternis gewöhnten, desto besser erkannte er, daß die sich überkreuzenden Strukturen immer höher und höher, vielleicht gar bis an die Spitze des Turmes hinaufreichten. Es war wie ein gewaltiges Netzgewebe. Hresh überlegte sich, ob vielleicht in den fernen oberen Bereichen eine gigantische Spinne bebend auf sie lauerte. Aber nein, das hier war ja ein Metallgeflecht, unbezweifelbar Metall, schimmerndes leichtes silbernes Material, das sich kühl und glatt unter den Händen anfühlte.
    »Ob wir da raufklettern?« fragte Haniman.
    Hresh schüttelte den Kopf. »Versuchen wir zuerst mal rauszufinden, was das hier für ein Ort ist.«
    Er langte nach oben und berührte die nächste Sprosse. Sie ertönte in einem satten musikalischen Klang, tief und erstaunlich schön, der langsam und feierlich in die nächste Schicht des Gewebes aufstieg und zur übernächsten und so fort und auf jeder Stufe widerhallende Klänge auslöste. Wundersam vibrierende Töne hallten überall um sie herum wider, wurden stetig intensiver, je höher sie im Turm nach oben stiegen, bis zu einem betäubenden Getöse anschwollen, von dem das ganze Innere des Baus erfüllt war.
    Hresh starrte benommen, entzückt, aber auch furchtsam hinauf und dachte, daß der Klang im nächsten Augenblick die Spitze erreichen müsse und daß unter der Gewalt dieses schrecklichen ansteigenden Getöses der ganze Bau über ihnen niederbrechen könne.
    Aber es tat sich nichts weiter, als daß der Ton, nachdem er ein atemverschlagendes, hirnsprengendes Höchstvolumen erreicht hatte, sehr rasch wieder schwächer und zarter wurde. Und Augenblicke darauf war er völlig verklungen, und sie standen in bestürzender Stille da.
    »Mach deine Lampe an«, sagte Hresh. »Ich will sehen, was auf der ändern Seite ist.«
    Vorsichtig umkreisten sie den Innenraum, wobei sie sich dicht an der Außenwandung hielten. Jedoch schien das schimmernde Metallgewebe über ihren Köpfen alles zu sein, was der Bau enthielt. Zu ebener Erde jedenfalls war nichts Bemerkenswertes irgendwo zu entdecken. Der Boden bestand aus nackter, trockener und harter brauner Erde. Als sie wieder beim Eingang angelangt waren, winkte Hresh Haniman zu, und sie traten ins Freie und gingen über den Platz zum nächsten Turm in dem Kreis. Er entsprach genau dem ersten – raffinierte Metallstrukturen in einer dunklen hohlen Schale. Und so war es auch beim dritten, vierten und fünften Turm. Erst als sie beim zehnten Bau der Serie angelangt waren, stießen sie auf eine Verschiedenheit.
    In diesem Turm nämlich war ein rechteckiger schimmerndschwarzer Steinquader von der selben Art Stein, wie er draußen zur Pflasterung des Platzes verwendet worden war, glatt in dem nackten Boden genau in der Mitte des Raums eingelassen. Es hätte eine Art Opferstelle sein können, oder aber vielleicht war es auch der Verschluß über einer unterirdischen Kammer.
    Du solltest tiefer schürfen, hatte der Künstliche der Saphiräugigen gesagt. Hresh verzog die Stirn und schüttelte den Kopf. Ganz bestimmt hatte doch die Kreatur damit nicht etwas so töricht Wortwörtliches gemeint wie, daß er unter der Erde suchen solle.
    Er kniete nieder und rieb die Hände über das schwarze Steinviereck. Es fühlte sich kühl an und sehr glatt, wie etwa schwarzes Glas, und es waren darauf keinerlei Inschriften, die Hresh hätte entdecken können, ja nicht einmal Spuren von solchen. Dann trat er in die Mitte des Steines und blickte in das verwirrende Strebenwerk über ihm hinauf. Die untersten Sprossen lagen hier in der Mitte des Turmes knapp außerhalb seiner Reichweite.
    »Komm her und mach einen Buckel!« befahl Hresh. »Ich will etwas versuchen.«
    Haniman ging gefügig auf die Knie nieder. Hresh kletterte ihm auf die Schultern und befahl ihm dann aufzustehen; und als Haniman wieder aufrecht dastand, versetzte Hresh dem nächsterreichbaren Metallstab mit zwei Fingern einen kräftigen Stups, und das ganze Gebäude begann in klaren Tönen zu widerhallen.
    Sogleich reagierte die schwarze Steinplatte mit einem dunklen Stöhnen und einem irgendwie mechanischen Seufzen; und

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