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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gefräßiger Wurm. Aber er ging nicht zu den Türmen. Es fiel ihm schwer, sich fernzuhalten, doch er ging nicht hin. Überall sonst suchte er, überall entdeckte er neue Routen und Seitenstraßen durch die Stadt. Er fand eine Terrasse mit blitzenden warmen Wasserteichen. Er stieß auf rhombusförmig angeordnete schlanke Steinobelisken um eine onyxgesäumte Grube von äußerster Dunkelheit, und als er einen Stein hineinfallen ließ, fiel dieser und fiel und fiel, ohne je auf den Grund zu treffen. Im Distrikt Dawinno Weiawala kam er zu einem düster brütenden grünschwarzen Gebäude von riesigen Ausmaßen, das er die Zitadelle taufte, da es wie kein anderer Bau in der Stadt für sich allein an einem grünbewachsenen Hügelhang hoch oben wie ein Wächter über Vengiboneeza thronte. Seine Länge war viel größer als seine Höhe, die Mauern schmucklos, mit Ausnahme von zehn mächtigen Säulen zu beiden Längsseiten, auf denen das Steildach ruhte, und es gab weder Türen noch Fenster, wodurch der Bau blind und abweisend aussah, als sei er eine vollkommen nach innen gewandte Struktur. Seine Funktion war nicht nur unbekannt, sondern sichtlich auch nicht eruierbar, obschon es sich zweifellos um ein irgendwie hochbedeutendes Bauwerk gehandelt haben mußte. Hresh entdeckte nirgends einen Zugang, obwohl er sich mehrmals darum bemühte. Derartige Entdeckungen trugen ihm jedoch nichts Nutzbringendes ein.
    »Warum bist du denn noch nicht wieder in diese Kuppelhöhle zurückgegangen?« fragte Taniane, der Haniman darüber erzählt hatte.
    »Ich bin noch nicht bereit dazu«, sagte Hresh. »Zuerst muß ich den Barak Dayir meistern lernen.« Und er bedachte sie mit einem Blick, der jede weitere Diskussion verbot.
    Und das war nämlich wirklich sein Problem – der Barak Dayir. Ohne ihn hatte es keinen Sinn, wieder dorthin zu gehen, denn er war überzeugt, daß er nur durch die Herrschaft über den Wunderstein das Rätsel dieser Visionsmaschine in der Kellerhöhle unter diesem Turm werde lösen können. Doch der Wunderstein war ihm nicht geheuer – ihm, dem Hresh-voller-Fragen – und beunruhigte ihn wie kaum etwas sonst. So richtig mit Augen gesehen hatte er ihn ja noch nie. Wie alle anderen des Volkes auch wußte Hresh nur vom Hörensagen, daß es sich dabei um irgendein sagenhaftes Instrument handle, das der Chronist zu hüten habe, das aus Sternenstoff bestand und außergewöhnliche Eigenschaften besaß, das jedoch jedem, der es falsch benutzte, das Lebenslicht auslöschte. Thaggoran hatte den Stein als den Schlüssel zu den tiefsten Erkenntnisbereichen bezeichnet; doch Thaggoran hatte stets sorgsam darauf geachtet, daß Hresh ihn nicht beobachten konnte, während er ihn benutzte, so sorglos er sonst auch zuweilen bei der Wahrung seiner Amtsgeheimnisse gewesen sein mochte, und außerdem hatte auch Thaggoran immer wieder von der Gefährlichkeit gesprochen und bekannt, daß er den Wunderstein nicht allzu häufig zu befragen wage. Und Hresh hatte sich – seit er selbst nun der Chronist war – nicht überwinden können, ihn auch nur in Augenschein zu nehmen. In seinen Chronikbüchern konnte er nirgendwo eine wie immer geartete Gebrauchsanleitung entdecken, auch keine Angaben über seine Funktionsweise, darum ließ er lieber die Finger davon. Wo es um den Barak Dayir ging, machte seine angeborene Neugier seiner Furcht Platz, daß er zu früh sterben könnte, noch ehe er all das Wissen erworben hätte, das sich anzueignen er hoffte.
    Doch dann endlich hob Hresh den Sammetbeutel zum erstenmal aus der Lade der Chroniken und hielt ihm mit beiden Händen behutsam fest. Das Säckchen war klein, klein genug, um in einer Hand Platz zu finden, und es verströmte eine leichte Wärme.
    Sternenstoff, sagte man. Was bedeutete dies?
    Er hatte erst beim Auszug aus dem Kokon erfahren, was ein Stern ist, als er die vielen zum erstenmal am Himmel erblickt hatte, diese zauberhaften hellen Lichtpunkte, die dort oben in der Finsternis brannten. Feurige Kugeln, das sind sie, hatte Thaggoran gesagt. Wenn sie uns näher wären, sie würden so heiß lodern wie die Sonne. War also der Wunderstein ein Stück von einem Stern?
    Doch die lichtspendenden Sterne, soviel wußte Hresh, waren nicht die einzigen Sterne am Himmel. Es gab da auch die Todessterne, diese schrecklichen Dunkelkörper, die auf die Welt herniedergestürzt waren und den Langen Winter gebracht hatten. Und die bestanden keineswegs aus Feuer; es waren Kugeln aus Eis und Felsgestein, sagten die

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