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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hatten ihre Augen geleuchtet, und die Gesichter eine seltsame Verwirrtheit verraten. Hresh war direkt zu Koshmar gegangen und hatte dabei alle und jeden beiseitegeschoben, die mit ihm reden wollten, bevor er die Führerin gefunden hatte, als quelle er über von dringlichen Berichten. Aber als Taniane ihn dann später am Abend ausfragen wollte, was er denn gesehen habe, funkelte er sie an, als wäre sie eine Hjjk, und sagte fast wütend: »Nichts. Ganz und gar nichts.«
    Ihr kam es so vor, als hätte sie schon ihr ganzes Leben lang sich bemüht, Hresh dazu zu bringen, daß er ihr etwas, irgendwelche von seinen Geheimnissen verrate, und daß er sie stets auf Armeslänge im Abstand von sich gehalten habe. Sie wußte natürlich, daß dieser Eindruck nicht ganz den Tatsachen entsprach. Damals, in den Tagen des Kokons, hatten sie oft zusammen gespielt, und er hatte ihr viel erzählt, verrückte phantastische Sachen über seine Visionen von der Welt draußen vor dem Kokon, seine Träume über das Leben in den Alten Zeiten oder seine Varianten von den Märchen, die der alte Chronist Thaggoran ihm weitergab. Nur zu oft war sie nicht fähig gewesen zu begreifen, wovon Hresh dann redete, oder aber es hatte sie einfach nicht genug interessiert. Und wieso auch? Damals war sie ja nur ein Kind gewesen. Alle waren sie nur Kinder gewesen, sie, Orbin, Haniman, auch Hresh. Aber Hresh war schon immer der Sonderling gewesen, der Andersartige, weit über die anderen hinaus und fern von ihnen, Hresh-der-Frager.
    Er hält mich bestimmt für eine Idiotin, dachte Taniane bedrückt. Und er glaubt, ich bin hohl, ich bin einfältig.
    Doch sie war jetzt kein Kind mehr. Sie entwickelte sich bestürzend rasch auf ihre Weiblichkeit hin. Wenn sie mit den Händen über ihren Leib strich, konnte sie die harten Knospen ihrer Brüste spüren. Ihr Pelz gewann an satter Färbung und wurde mehr und mehr zu einem schimmernden Dunkelbraun mit rötlichen Schattierungen, und er wurde dicht und seidig. Und sie wurde größer, fast war sie schon so lang wie manche der Vollreifen Frauen, etwa wie Sinistine oder Boldirinthe. Und jedenfalls war sie größer als Hresh, bei dem das Wachstum etwas langsamer voranzugehen schien.
    In dieser Zeit begann Taniane sich Gedanken darüber zu machen, wen sie sich als Partner suchen solle.
    Sie wünschte sich dafür Hresh. Das hatte sie schon immer getan. Sogar damals, als sie noch kleine Kinder und im Kokon waren und in den wilden Spielen, die sie spielten, von Wand zu Wand kullerten, den Fußringkämpfen, dem Handstand und dem Höhlensegeln… stets hatte sie davon geträumt, erwachsen zu sein, Kinderträgerin zu sein, davon geträumt, wie sie im dunklen Paarungstrakt des Kokons bei Hresh lag. Und auch wenn er so klein war, auch wenn er derart seltsam war, sie spürte in ihm eine drängende Kraft, eine Energie und eine vibrierende Erregtheit, die sie veranlaßt hatten, sich nach ihm zu sehnen, auch wenn sie damals noch nicht gewußt hatte, was Sehnsucht und Verlangen ist.
    Jetzt aber war sie älter. Aber sie sehnte sich noch immer nach Hresh. Allerdings, so wie es aussah, behandelte er sie auch weiterhin als ganz beiläufig-nebensächlich und ohne ihr besonderes Interesse zu widmen. Er schien völlig in seiner Aufgabe als Chronist aufzugehen und in einer Welt für sich zu leben.
     Und Chronisten wählten sich ja sowieso nie Fortpflanzungspartner. Selbst angenommen, Hresh würde sie so innig lieben wie sie ihn, was hatten sie denn für eine Chance, jemals zu einer Paarung zu kommen? Ach, nein, sie würde sich wahrscheinlich mit irgendwem sonst verkuppeln müssen, wenn es für sie an der Zeit war…
    Orbin? Gut, der war groß und kräftig, und dabei in all seiner Stärke sanft. Aber – er war auch langsam im Denken und dumpf. Mit ihm würde sie sich sehr bald langweilen. Außerdem galt sein unverhohlenes Interesse der kleinen Bonlai, auch wenn die zwei, drei Jahre jünger war als ihre Altersgruppe. Diese Bonlai, die war genau die Art von bequemer derber und kumpelhafter Frau, wie Orbin sie bevorzugen würde. Und er, der ruhige, geduldig-gelassene Orbin, würde durchaus bereit sein (unterstellte Taniane), zu warten, bis Bonlai reif genug war.
    Und damit blieb nur Haniman. Der einzige andere Jungmann ihrer Altersgruppe. Aber der Gedanke, sich mit Haniman paaren zu sollen, kam ihr doch als recht absonderlich vor. Als sie noch jünger waren, war der so eine erbärmliche Gestalt gewesen, so langsam, so träge, so feist, immer

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