Am Ende des Winters
würde sich nichts ändern, wenn sie sich mit einem Mann paart. Oder wenn ich es täte. Das Tvinnr-Band bleibt immer und ewig bestehen, gleichgültig, was sonst geschieht. Aber Koshmar ist eigentlich nicht von der Art, die sich einem Mann überantworten würde…«
»Nein. Nein, das ganz und gar nicht.« Taniane zögerte ein wenig. »Und du? Bist du es, Torlyri?«
Torlyri lächelte. »Ich gestehe, daß ich mir genau diese Frage in letzter Zeit öfter gestellt habe.«
»Aber die Opferfrau ist doch auch eine, die dem herkömmlichen Brauch gemäß nie kopuliert, oder irre ich mich? Wie der Stammeshäuptling… oder der Chronist. Aber alles ändert sich jetzt dermaßen schnell. Jetzt könnte doch auch die Opferpriesterin sich einen Kopulationspartner nehmen. Oder sogar der Chronist.«
Torlyris Augen glitzerten in gutmütiger Belustigung. »Ja doch, sogar der Chronist könnte das tun. Das würde dir wohl gefallen, wie?«
Taniane wandte die Augen ab. »Ich habe nur ganz allgemein gefragt.«
»Oh. Dann verzeih. Ich dachte, du hast einen besonderen Grund.«
»Nein. Bestimmt nicht! Ja, glaubst du denn, ich würde den Hresh haben wollen, selbst wenn er mich anfleht? Diesen komischen Jungen, der den ganzen Tag über seine Nase in irgendwelche staubige Ecken steckt und für niemanden mehr ein vernünftiges Wort übrig hat…?«
»Hresh ist kein gewöhnlicher Junge, gewiß. Aber auch du bist nicht durchschnittlich und gewöhnlich, Taniane.«
»Ich?« fragte sie bestürzt. »Wieso?«
»Du bist es eben nicht, und weiter nichts. In dir verbirgt sich mehr, glaube ich, als die meisten Leute vermuten.«
»Meinst du wirklich? Ehrlich?« Sie dachte darüber nach. Un-gewöhnlich? Äußergewöhnlich? Ihr Stolz sträubte ihr funkelnd das Fell. Natürlich war ihr klar, wie dumm-kindisch es war und wie unreif, deswegen so offenkundiges Vergnügen zu zeigen… aber niemand hatte sie jemals zuvor dermaßen gepriesen… und so etwas von Torlyri zu vernehmen…von Torlyri.
In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung warf sie die Arme um die Ältere. Einen Augenblick lang hielten die beiden Frauen einander eng umschlungen. Dann löste sich Taniane und trat zurück.
»Ach, Torlyri, ich hoffe so sehr, daß du den Partner findest, den du haben willst, wenn du das wirklich haben willst.«
»He, du, warte mal!« rief Torlyri lachend. »Wann hätte ich je gesagt, ich hab irgend etwas in der Hinsicht vor? Ich habe doch nichts weiter gesagt, als daß ich anfange mich zu fragen, ob so was sich für mich schicken würde, weiter nichts!«
»Aber du solltest dich verbinden«, sagte Taniane. »Alle, alle sollten sich paaren und kopulieren. Die Stammesführerin sollte es tun – ich meine, die nächste Führerin, die nach Koshmar. Der Chronist sollte sich paaren. In diesem Neuen Frühling sollte niemand, keiner einzeln und allein bleiben. Denkst du das nicht auch, Torlyri? Alles verwandelt sich! Also muß alles sich ändern!«
»Ja«, sagte Torlyri, »alles verändert sich.«
Später fragte sich Taniane, ob sie vielleicht nicht doch zu direkt und offen gewesen sei, zu naiv. Worte, die man Torlyri gegenüber aussprach, konnten ja nur allzu leicht direkt in Koshmars Ohr gelangen, und diese Vorstellung fand Taniane denn doch ein wenig beunruhigend.
Dann aber zuckte sie die Achseln und begann sich mit den Händen den Leib abzutasten. Sie ließ die Hände über ihre glatten festen Flanken gleiten und hinauf zu den kräftigen jungen Brüstchen, die sich unter ihrem schimmernden kastanienroten Pelz abhoben. Ihr Körper schmerzte vom Wachsen. Eine wilde Schar unbeantworteter Fragen schnatterte in ihrem Kopf herum. Aber die Zeit wird die Antworten auf all das finden, dachte Taniane. Was ich jetzt tun muß – ist die Kunst des Wartens zu erlernen.
7. Kapitel
Die Stimme des Sturms
Der Platz mit den dreimal zwölf blauen Türmen im Bezirk Emakkis Boldirinthe wich nie aus der Seele Hreshs, ob er wachte oder in Träumen lag. Oftmals erwachte er dann schaudernd und schweißüberströmt und hatte jene Szene aus dem lebendigen Vengiboneeza erneut in allem pulsierenden Glast leibhaftig vor dem inneren Auge: den menschenerfüllten Marktplatz, alle jene Geschöpfe aus den Sechs Völkern, dicht zusammengedrängt… Doch er ließ viele Wochen verstreichen, bevor er sich erlaubte, wieder dorthin zurückzukehren. Er wußte, er war noch nicht bereit, und so zwang er sich mit aller Kraft zu Zurückhaltung.
Ungeduldiges Verlangen und Neugier nagten an ihm wie ein
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