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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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tun.«
    »Aber ich hatte Angst. Du warst dermaßen seltsam.«
    »Mir macht es auch Angst.« Er schüttelte den Kopf. »Sag, habe ich jemals früher so was getan, Minbain? So was Wildes, so eine Raserei?«
    »Nein, nicht so. Dunkelträume, das ja. Du hast dich herumgewälzt, gestöhnt, gejammert, im Schlaf geredet, geflucht und manchmal sogar mit den Händen auf den Boden geschlagen, als wolltest du irgendwelche Wesen töten, die sich um dich herumbewegten. Aber diesmal – ich hab mich wirklich schrecklich gefürchtet, Harruel! Es war, wie wenn ein Dämon in dich eingedrungen wäre.«
    »Ja, wahrlich, ein Dämon hat von mir Besitz ergriffen«, sagte er trübsinnig. Er erhob sich und trat ans Fenster. Die Nacht schien noch nicht einmal zur Hälfte vorbei. Dichte Dunkelheit lag schwer wie ein erstickendes Tuch über der Welt. Das häßliche Narbengesicht des Mondes flammte eisig hoch droben, und dahinter hingen in dichten wirbelnden Bändern und Haufen im Zenith des Himmels die Sterne, diese verwirrenden boshaften weißen Feuer, die keine Wärme spendeten. »Ich geh noch ein wenig raus, Minbain.«
    »Nein, bleib doch hier, Harruel! Ich fürchte mich jetzt, allein zu sein.«
    »Was könnte dir schon Böses geschehen? Die einzige Gefahr hier bin doch ich. Und ich gehe hinaus.«
    »Bleib!«
    »Ich muß eine Weile für mich allein sein«, sagte er. Er wandte sich zu ihr um und betrachtete sie. Im Halbdunkel, in dem kühlen Schimmer von Mond und Sternen, schien Minbain eine Schönheit zu besitzen, die sie – wie er sehr wohl wußte – in Wirklichkeit nicht hatte. Das zarte gerundete Gesicht schien die Jahre abgestreift zu haben, sie wirkte zart, frisch und jung, fast wie ein Mädchen. Ihm quoll das Herz über von Liebe zu ihr. Er konnte diese Liebe nur schwer mit Worten ausdrücken; aber er trat zu ihr, kauerte sich neben ihr hin und streichelte zart mit den Händen über ihre Schulter und ihren Hals, wo er ihr weh getan hatte, über die Brüste und über den weichen Bauch. Er hatte ein Gefühl, als könne er dort ein neues sich bildendes Leben spüren. Es war natürlich noch zu früh, um sicher zu sein, doch er bildete sich ein, daß seine Finger eine Bewegung dort fühlten, eine Konzentration von Lebenskraft, die einmal sein Sohn, Harruels Sohn, sein würde. So weich, wie es ihm möglich war, sagte er: »Ich habe dir nicht weh tun wollen, Minbain. Ein übler Alp hielt mich im Schlaf befangen. Es war nicht ich selber. Ich könnte dir niemals ein Leid antun.«
    »Aber das weiß ich doch, Harruel. Unter deiner grollenden Grobheit bist du ein feinfühliger Mann.«
    »Und du glaubst das wirklich?«
    »Ich weiß es«, sagte Minbain fest.
    Er ließ die Hand flach eine Weile auf ihrem Bauch ruhen. Er war nun ruhiger, auch wenn der Schwarztraum ihn noch weiter bedrückte. In Wellen flutete tiefe Liebe zu der Frau heftig durch seine Seele.
    Sie war drei Jahre älter als er, und in der Zeit seines Heranreifens hatte er überhaupt nicht an Kopulationspartner gedacht – denn schließlich gehörte er zur Kriegerkaste, und in jenen Tagen hatten sich die Krieger nicht zur Fortpflanzung partnerschaftlich gebunden… Damals war es ihm vorgekommen, als gehöre sie mehr der Generation seiner Mutter an als seiner eigenen; aber als dann die neuen Kopulationsregeln verkündet wurden, hatte er sich Minbain als Partnerin gewählt. Eine jüngere Frau hätte möglicherweise mehr Schönheit besessen, doch Schönheit schwindet rasch, und Minbain verfügte über Vorzüge, die sie bis ans Ende ihrer Tage behalten würde. Sie war warmherzig und freundlich, irgendwie ein wenig wie Torlyri in dieser Beziehung. Aber Torlyri hatte nicht viel für Männer übrig… Minbain dagegen schon, und darum hatte Harruel ganz schnell zugegriffen. Ihn störte es gar nicht, daß sie ein bißchen älter war als er, oder daß sie bereits ein Kind hatte. Wenn das überhaupt etwas besagte, dann sprach es eher zu ihren Gunsten, daß sie bereits Mutter geworden war, denn ihr Kind war dieser Hresh, der in einem solch übernatürlich jungen Alter bereits solch eine bedeutende Macht im Stamm ausübte. Oh, Harruel sah viele Verwendungsmöglichkeiten für Hresh; und ein Weg zu dem Jungen lief möglicherweise über seine Mutter. Nicht etwa, daß dies der hauptsächliche Beweggrund war, warum er sich für Minbain entschieden hatte. Aber mitgespielt hatte es schon, o ja, ganz gewiß hatte es eine Rolle gespielt.
    »Laß mich jetzt weg!« bat Harruel.
    »Komm bald

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