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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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zweiten ein KitKat. Mir ist es eigentlich egal, ich mag sie alle. Andy wünscht sich sehnlichst, er könnte hier auch einen Job kriegen, aber er ist erst zehn, und Mr Horrocks will ihn noch nicht haben.
    Ein paar Tage vor der Weihnachtspause komme ich in den Laden und hänge meine Zeitungstasche an den Haken hinter der Kasse, wo Mr Horrocks die Taschen aufbewahrt. Es ist halb neun, und ich bin bestimmt der schnellste Zeitungsjunge, weil meine Tasche immer als Erste am Haken hängt.
    »Guter Junge«, sagt Mr Horrocks, und wie immer geht er zur Theke, um meinen Geldumschlag zu holen. Aber bevor er die Kasse öffnen kann, hören wir Mrs Horrocks von hinten rufen, von oben, und sie klingt ziemlich alt und matt.
    » Ted? Bist du da, Ted? «
    Mr Horrocks zögert. Seine Hand schwebt über der Ladenkasse.
    » Ted? «, ruft sie noch mal, und jetzt klingt sie beunruhigt wie ein Kind. Mr Horrocks Stirn legt sich in Falten.
    »Kannst du kurz warten, Jake? Behalte den Laden im Auge. Dauert nur zwei Minuten.« Dann ist er durch den Perlenvorhang verschwunden, nach oben, wo ich noch nie gewesen bin, zu der Frau, die ich noch nie gesehen habe.
    Der Laden ist klein und dunkel, und die Regale sind vollgepackt mit Sachen, die man kaufen kann. Es ist ein Zeitungsladen, führt aber auch eine Menge anderen Kram: Puddingpulver, Klopapier, »Basildon Bond«-Briefumschläge, Bic-Kugelschreiber, Geschenkpapierbögen auf einem Ständer, Rasierpinsel. Von allem ein bisschen. An manchen Stellen sind die Regale staubig, vermutlich da, wo die Ware sich nicht gut verkauft. Für Zigaretten und Feuerzeuge gibt es eine Stellage hinter der Kasse, und Plastikgläser mit Süßigkeiten reihen sich vorn auf der Theke aneinander. Ich wüsste zu gern, was im hinteren Raum ist. Ich wette, da sind ein Telefon und ein Klo und vielleicht noch Stapel von Kartons mit Keksen und anderem Zeug, das er nach vorn bringt, um die Regale aufzufüllen.
    Ein paar Minuten vergehen, und Mr Horrocks ist immer noch nicht wieder heruntergekommen. Zum Glück ist niemand im Laden gewesen; ich wüsste nicht, was ich tun sollte, wenn jemand käme. Ich gehe zu der Tür mit dem Perlenvorhang, die nach hinten führt, und dort bleibe ich lässig stehen und spitze die Ohren, um zu hören, was oben los ist. Es klingt, als ob jemand weint, und ich verstehe das eine oder andere Wort von Mr Horrocks. » Es ist alles gut, Schatz. Reg dich nicht auf, Marcie .« Ich habe keine Ahnung, was da oben vor sich geht, und frage mich, warum ich seine Frau noch nie gesehen habe. All die Jahre – und immer steht er in seiner marineblauen Schürze hinter der Theke oder räumt die Regale ein. Ich bleibe, wo ich bin, schaue im Laden herum und denke daran, dass bald Weihnachten ist. Wie wird es Mum dieses Jahr wohl gehen, ohne Dad? Aus dem Zimmer oben kommt ein dumpfes Gestolper, und dann ist es einen Moment lang still. » So, mein Schatz. Bleib da sitzen und sieh ein bisschen fern. Ich komme gleich und mache dir ein Tässchen Tee. « Ich höre seine Schritte auf den Dielen über mir; er geht auf die Treppe zu, die ich nicht sehen kann. Ich schnappe mir eine Zwanzigerpackung Benson & Hedges, schiebe sie in den Ärmel und gehe wieder nach vorn vor die Kasse. Die Hände höflich auf dem Rücken verschränkt, bleibe ich dort stehen. Ich höre, wie er schlurfend durch das Hinterzimmer auf den Perlenvorhang und den vorderen Teil des Ladens zukommt, wo ich warte, und ich fühle einen Schweißtropfen in dem Grübchen über meiner Oberlippe. Ich lasse die Arme hängen und stehe unbeholfen da, bis er auftaucht.
    »Entschuldige, mein Junge«, sagt er, und er lässt die Kassenschublade aufspringen, nimmt den Umschlag mit meinem Lohn heraus und reicht ihn mir, heute ohne sein FBI -Geheimdienst-Spiel.
    »Danke, Mr Horrocks.« Ich bin ein bisschen verlegen. Er sieht mich an mit seinem eigenartigen Blick, bei dem man immer das Gefühl hat, er denkt an etwas ganz anderes. Dann beugt er sich über die Theke, greift nach einer Schachtel »Dairy Milk«-Schokolade und gibt sie mir. Super, denke ich. Das spart mir ein bisschen Geld.
    »Du machst deine Arbeit gut, Jake, mein Junge«, sagt Mr Horrocks, ohne zu lächeln. »Du hast dich noch nie verspätet. Sieh zu, dass es so bleibt. Arbeite fleißig und zeig uns allen, was in dir steckt.«
    Dabei legt er mir die Hand auf die Schulter, und die glasblauen Augen funkeln in seinem faltigen Gesicht. Ich wünschte, ich hätte einen Großvater, wie alle meine Freunde. Der hätte einen

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