Am Ende eines Sommers - Roman
Hund und eine Angelrute und wäre im Krieg gewesen und hätte Geschichten zu erzählen. Vielleicht hätte er sogar eine Narbe als Beweis.
»Darf ich die meiner Mum geben?« Ich halte die »Dairy Milk« hoch.
»Darum bist du ein guter Junge, Jake.« Er wendet sich ab und packt Chipstüten aus einem Karton auf den Ständer.
Ich schiebe die Schokolade unter meinen Pullover und radle nach Hause. Ich muss einen Klumpen Zorn herunterschlucken, und mein Gesicht brennt von der kalten Morgenluft. Unterwegs begegne ich ein paar anderen Zeitungsjungen, die mit ihren leeren Taschen auf dem Rückweg zu Horrocks sind. Ob sie alle eine Schachtel »Dairy Milk« kriegen wie ich? Wahrscheinlich. Auf halber Strecke halte ich an der Fußgängerbrücke, die über den Bach hinter der Schule führt. Niemand ist zu sehen. Ich werfe mein Rad in die Nesseln und flitze unter die Brücke, wo die großen Jungs früher einen Stapel Pornohefte versteckt hatten. Die Hefte sind längst weg, aber der Boden ist übersät von leeren Dosen, Zigarettenstummeln und Bonbonpapierchen. Ich lasse mich auf den Rand der Böschung plumpsen, die sich zum Bach hinuntersenkt. Der Bach ist dreckig. Er gehört hier nicht hin; er sollte woanders sein, irgendwo draußen auf dem Land, wo er sauber fließen kann und nicht mit Bierdosen und Parisern zugemüllt wird. Ich reiße die »Dairy Milk«-Schachtel auf und betrachte die Bilder auf der Reklame. Toffee Delight. Hazelnut Whirl . Das sind die besten. Andy und ich streiten uns immer darum. Nicht, dass wir oft eine Schachtel »Dairy Milk« kriegen, aber zu Weihnachten prügeln wir uns immer um die. Orange Cup . Örgh. Der Morgen ist kalt und feucht, und das Licht unter der Brücke ist grau. Als ich über die Pralinen streiche, sehe ich, dass meine knotigen Knöchel rot vor Kälte sind, und meine Nägel sind bis ans Fleisch abgekaut. Wie das aussieht! Ich schlinge sämtliche Haselnuss- und Toffee-Pralinen herunter, und dann drehe ich die Schachtel um und verteile die übrigen auf dem schlammigen Boden, und ich springe darauf herum und zertrete sie mit den Absätzen. Ich stampfe und stampfe und trete und trete, bis die Schokolade im moddrigen Schlamm fast verschwunden ist, und dann lasse ich mich wieder auf den Hintern fallen und schluchze auf meine Knie, bis ich nicht mehr schluchzen kann.
Mary,
August 1963
Als ich zu Rachels College gehe, will ich nur gucken, nur sehen, wie er so ist.
Ich schleiche auf dem Gelände herum wie eine Diebin. Die Gebäude sind abgeschlossen, und Schüler und Lehrer sind in den Ferien. Ich trage mein Haar heute offen und habe es hundert Mal gebürstet, damit es glänzt. Als ich wegging, hat Mummy gefragt, warum ich mein bestes Kleid angezogen habe. Ich habe gesagt, ich hätte heute einfach Lust dazu, weil die Sonne scheint. Sie hat gelächelt und sich gefreut.
Ich biege um die Ecke des Hauptgebäudes, die Sonne blitzt auf dem lang gestreckten Treibhaus, und ich bleibe stehen und drücke mich an die Klinkermauer. Mir stockt der Atem. Hier müsste er sein, wenn er hier wäre. Ich fühle, wie die Sonne sticht; sie brennt auf meinen bloßen Schultern.
Rachel kam gestern Abend finster gelaunt nach Hause. Ich habe gefragt, ob sie mit ihm Schluss gemacht hätte, und sie sagte, ja, natürlich, und ich sollte abhauen und nicht so viel fragen. Sie nannte mich ein lächerliches Gör und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Durch die staubigen kleinen Scheiben des Treibhauses erkenne ich Blumentöpfe und Blätter, Tomatenpflanzen, Säcke mit Erde, Dampf. Seine Schubkarre steht ordentlich neben der Tür. Aber er ist nicht da. Nirgends eine Spur von ihm. Vielleicht fährt er auch nach Hause, wenn die Schüler Sommerferien haben. Rachel sagt, seine Haut ist wie harte Seide.
»Kann ich dir helfen?«
Ich fahre herum und schnappe nach Luft. Ich starre ihn an, und er starrt mich an.
»Kenne ich dich?« Ein verwundertes Stirnrunzeln lässt seine Brauen tanzen. Sein Blick ist scharf und traurig. Seine Shorts sind zu weit für seine schlanke Gestalt; sie sitzen auf seinen Hüften, und man sieht die tiefen Furchen, die sich von seiner braunen Taille abwärts ziehen. Er hat sein Hemd in der Hand, und auf seinem sehnigen Oberkörper glänzt eine Schweißschicht.
Ich kann nicht sprechen.
»Suchst du jemanden?«, fragt er, und er sieht besorgt und verärgert zugleich aus.
»Bist du Darren?«
Er steckt eine Hand in die Tasche und zieht dabei den Hosenbund noch weiter herunter. Ich habe Herzklopfen,
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