Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
Vom Netzwerk:
Gesicht, und wir laufen, laufen, laufen. Zelte und Menschen werden weniger, und wir laufen immer weiter, bis wir schließlich oben sind. In einem großen Segeltuch-Tipi oben auf der Höhe liegen Männer und Frauen auf indianischen Kissen und Teppichen. Manche schlafen, andere rauchen und reden leise miteinander. Die Musik weht immer noch zu uns heran, über die Felder und Täler von Afton Down hinweg. Wir tanzen und lachen, und Zigg zaubert eine kleine schwarze Dose hervor. Darin ist ein zusammengefaltetes, weißes Blatt Papier, und darin wiederum liegen drei kleine, violette Punkte. Gypsys Augen funkeln boshaft.
    » Magie, Madame ?«, fragt Zigg.
    » D’accord, Monsieur «, antwortet sie.
    Jeder von uns legt sich eins der runden Plättchen auf die Zunge, als wäre es eine heilige Hostie, und wir sinken zurück in die Dunkelheit des Zelts. Seite an Seite liegen wir da und halten einander bei der Hand in unserer eigenen Stille, und wir warten, warten. Als Zigg mich mit seinen kalten weißen Lippen küsst, gehe ich zum Zelteingang und fliege über die Felder und die Lichter des Festivals.
    Ich schaue hinunter auf die tausend Zelte unter mir. Die beleuchtete Hauptbühne wirft Licht und tiefe Schatten über die August-Felder. Ich sehe Gypsy und Zigg im Eingang des Tipis; sie drehen sich winkend im Kreis, und ihr Haar weht fließend unter Wasser. Glühwürmchen schwirren wie Meteore zwischen ihnen hin und her, und Gypsy lässt die Zunge vorschnellen wie ein Reptil, fängt eine funkelnde Fliege und zieht sie in den Mund. Ihr Gesicht leuchtet. Der warme Wind greift mit seinen Fingern in mein Haar, und ich schließe die Augen und lasse mich von seinen Strömungen tragen. Ich sinke immer tiefer und sehe Paare, die sich im Gras im Rhythmus wiegen und miteinander schlafen. Entblößte Brüste und Gliedmaßen winden sich in verschlungenen Bewegungen, und alle Stimmen verbindet unendliche Lust. Ich lande auf einem Bett aus ambraduftenden Kissen, und meine Zöpfe umschlängeln mich wie eine Krone aus Vipern. Gypsy stützt die Hände auf die Knie und sieht mich mit boshaften Augen an, dann wedelt sie mir Kusshände zu und verschwindet in den dunklen Ecken des Zelts. Als er über mich kommt, dieser große, ungeheure Vogel, feuere ich ihn an mit der Kraft meines Willens, ich schlage den Rock hoch über die Schenkel und erlaube ihm, mit seinem krummen Schnabel an meinen Kleidern zu zerren. Sein langer Hals umschlingt den meinen, und die weichen Federn auf seinen Sehnen erschauern an meinen Ohrläppchen. Sein grasiger Duft dringt in meine Sinne, vertraut und uralt. Seine mächtige, gefiederte Gestalt drängt sich an meine Schenkel, der Blick der schwarzen Augen ist hart und unerbittlich, und als ich mich seiner Kraft, die tief in mich hineingleitet, entgegenhebe, spreizen sich majestätisch seine Flügel und schlagen die Luft mit jedem machtvollen Stoß seines weißen Körpers.

 
    Jake,
    Februar 1985
    Bei sich daheim macht Sandy das Gästezimmer zurecht und lässt uns im Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzen. Keiner von uns spricht darüber; wir starren einfach auf den Bildschirm, als wäre nichts passiert. Nach ungefähr einer halben Stunde geht die Tür, und es ist Dad. Er schiebt schnell den Kopf herein und sagt, er muss mit Sandy und Pete allein sprechen und ist gleich wieder da.
    Sie gehen in die Küche und machen die Tür hinter sich zu. Ich signalisiere Andy, er soll bleiben, wo er ist, während ich in den Flur schleiche, um zu lauschen.
    »Hast du sie in letzter Zeit gesehen, Bill?«, fragt Sandy.
    »Nein, eigentlich nicht. Ich meine, wenn ich die Jungs habe, hole ich sie nur ab und bringe sie nachher zurück. Mary und ich haben uns in letzter Zeit nicht viel zu sagen, wisst ihr.«
    »Bill, Junge, nach dem, was Sandy mir erzählt, geht’s ihr nicht gut.« Pete klingt ein bisschen nervös.
    Dad sagt etwas, aber es ist zu leise, und ich muss mich dichter an die Tür drücken, um etwas zu hören. Sandys Stimme wird lauter und leiser, als ginge sie in der Küche hin und her. »Mary liegt im Bett, und Jake sagt, da ist sie seit Wochen. Seit Neujahr. Der Himmel allein weiß … Aber alles ist in einem grässlichen Zustand … Jake hat versucht, die Dinge im Griff zu behalten, aber er ist noch ein Kind, Bill.«
    Dad antwortet nicht, aber ich höre einen tiefen Seufzer, und ich sehe ihn vor mir, die Ellenbogen auf dem Tisch, den Kopf in die Hände vergraben. Ich atme flach und lausche angestrengt.
    »Offenbar war Andy abends fast

Weitere Kostenlose Bücher