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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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willst doch nicht kneifen, oder?«
    Ich umklammere meine Schultertasche und bin ein bisschen verlegen. »Natürlich nicht! Im Wetterbericht haben sie gesagt, es wird heiß an diesem Wochenende. Deshalb hab ich nicht viel eingepackt.« In meiner Tasche habe ich nur eine Zahnbürste, eine Unterhose und einen Pullover.
    Sie klatscht in die Hände und ist wieder ganz die glückliche Nymphe. »Guter Plan. Ich fahre danach vielleicht noch woandershin, deshalb hab ich mein ganzes Leben in diesen Rucksack gepackt. Wohin, weiß ich nicht nicht genau. Könnte sein, dass ich sogar nach Indien reise, wenn mir danach ist. Erinnerst du dich an Sass und Jojo in St. Martin’s? Also, die fahren in zwei Wochen in ein buddhistisches Kloster, und wenn es klappt, bin ich dabei. Der Buddhismus« – sie legt mir eine Hand auf die Schulter – »weißt du, Mary, der Buddhismus kann dein Leben verändern. Bei Jojo hat er es getan. Seit sie den Buddhismus gefunden hat, ist sie die lässigste Frau, die ich kenne. Und? Wie hat Billy reagiert?«
    Wir schließen uns der Menge an, die zum Fußgängeraufgang zur Fähre unterwegs ist, und die Sonne brennt heiß und trocken auf uns herunter. Gruppen von Reisenden trotten hierhin und dahin; manche sind aufgeregt, andere haben es anscheinend nicht eilig, irgendwo hinzukommen. Busladungen von Hippies starren mit heißen, verschwitzten Gesichtern aus den Fenstern und warten darauf, dass sie auf das nächste Schiff gefahren werden. Andere sind zu Fuß unterwegs und drängen sich rechts und links neben uns. Die Besatzung steht steif und missbilligend da, und der Mann, der den Fußgängeraufgang kontrolliert, hat seine Mütze fest auf dem hoch erhobenen Kopf und ignoriert das Gedränge der Passagiere, die an Bord kommen. Noch nie habe ich so viele Männer mit langen Haaren gesehen, so viele lächelnde und bärtige Gesichter, so viele nackte Bäuche. Die Frauen sind alle schön, jede auf ihre Art, jede offenherzig und vital. Ein intensiver Geruch von Marihuana hängt in der Luft und erinnert mich an die Dekadenz der Kunstschule und an mein früheres Leben.
    »Billy weiß es noch nicht«, schreie ich durch den Lärm der Menge und halte mich an dem abblätternden Geländer fest, als ich hinter Gypsy die Stahltreppe hinaufsteige.
    »Weiß was nicht?«, schreit Gypsy zurück und schaut über die Schulter. Als wir an Deck sind, packt sie meine Hand, damit wir nicht getrennt werden. »Sieh mal, da hinten sind ein paar freie Sitzplätze.«
    Wir rennen los, um die letzten der an Deck festgeschraubten Stühle zu erwischen. Sie sehen aus, als gehörten sie eigentlich in ein Wartehäuschen an der Bushaltestelle. Das Metall ist heiß an meinen Kniekehlen. Gypsy wühlt in ihrer Tasche herum, holt zwei Äpfel heraus und gibt mir einen. Krachend beißt sie in ihren. »Was weiß Billy nicht?«
    »Dass ich weg bin. Ich hab’s ihm nicht gesagt. Ich bin einfach gegangen, als er auf der Arbeit war.« Ich bin selbst schockiert, als ich diese Worte höre, und plötzlich wird mir flau.
    Gypsy dreht sich mit gespielter Überraschung zu mir um, und sofort ist sie wieder die boshafte Gypsy, die ich auf dem College kannte. »So, so, Mary Murray, du stilles Wasser«, sagt sie und redet mich mit meinem Mädchennamen an. »Wird er nicht wütend sein? O mein Gott! Na ja, sein Problem, jetzt bist du hier!« Sie schlägt sich entzückt auf die zierlichen, braunen Knie und beißt noch einmal laut in ihren Apfel.
    »Ich habe ihm einen Brief hingelegt, den er findet, wenn er nach Hause kommt. Und Matthew habe ich bei seiner Großmutter gelassen. Anders wäre ich nie weggekommen. Außerdem ist es ja nur für ein Wochenende.« Ich sehe ihn vor mir, wie er den Brief liest, sich das Stoppelkinn reibt und nicht weiß, ob das ein Witz ist. »Seine Mum beschwert sich immer, dass sie nicht genug Zeit mit dem Baby kriegt. Zumindest die wird sich freuen.«
    Gypsy drückt sich kichernd das Handgelenk auf den Mund und gibt mir einen Rippenstoß. »Wenn ich mir das vorstelle – du eine alte verheiratete Frau. Mit Kind! Gott, das ist irre, Mann!«
    Ein großer dürrer Kerl mit langen grauen Haaren mit einem zu Zöpfen geflochtenen Bart spaziert über das Deck und gibt jedem Passagier die Hand. »Sei gesegnet, mein Kind«, sagt er zu jedem, und dann küsst er ihn auf die Stirn und geht zum Nächsten. Er hat eine weiße Federboa um die Hüften geschlungen, was zu seinem schmuddeligen Gewand seltsam absurd aussieht. Ein paar Leute verlassen in

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