Am Ende ist da nur Freude
aufgrund der dem Hörensagen eigenen Unglaubwürdigkeit. Hätte also eine Freundin von Nicole Brown Simpson diese sagen hören:
»Ich glaube, O. J. ist so außer sich, der bringt mich um«, dann könnte ein Gericht das als Hörensagen einstufen. Wäre sie jedoch sterbend aufgefunden worden und hätte sie dann gesagt: »O. J. hat mich erstochen«, dann wäre das unter die »Hörensagen-Ausnahmeregelung« gefallen.
Um dies zu verstehen, müssen wir Hörensagen als eine Aussage definieren, die außerhalb des Gerichts gemacht und dann vor Gericht als Indiz dafür vorgebracht wird, dass eine bestimmte Behauptung wahr ist. Der Richter oder die Geschworenen müssen entscheiden, ob die als Beweis vorgelegten Indizien glaubwürdig sind. Dafür gibt es drei Regeln:
Vor der Aussage werden die Zeugen vereidigt. Dabei müssen sie schwören, die Wahrheit zu sagen. In amerikanischen Gerichten tun sie das auf die Bibel, ergänzt um die Worte so wahr mir Gott helfe .
Zeugen müssen im Gerichtsverfahren persönlich anwesend sein, damit der Richter oder die Geschworenen die Aussage aus erster Hand beobachten können. Zum Beispiel: Sahen die Zeugen so aus, als würden sie die Wahrheit sagen? Wie war ihre Körpersprache? Ihr Gesichtsausdruck? Was haben Richter oder Geschworene außer dem gesprochenen Wort noch beobachtet?
Zeugen können von jeder Partei befragt werden (vor amerikanischen Gerichten heißt dies: Sie können von jeder Partei ins Kreuzverhör genommen werden, die sie nicht in den Zeugenstand gerufen hat). So kann zum
Beispiel ein Rechtsanwalt oder Staatsanwalt nach weiteren Einzelheiten fragen, etwa nach der Tageszeit oder den Lichtverhältnissen. Hat der Zeuge ein Motiv zu lügen?
Sämtliche Indizien, die vor amerikanischen Gerichten verwendet werden, müssen den Federal Rules of Evidence entsprechen. Diese verbieten die Verwendung der meisten außerhalb des Gerichts gemachten Aussagen als beweiskräftiges Indiz im Gerichtsverfahren. Aussagen, die außerhalb des Gerichts gemacht werden, können von den Richtern oder Geschworenen kaum auf Ungenauigkeiten durch Mehrdeutigkeit, Unehrlichkeit, fehlerhafte Wahrnehmung oder verzerrte Erinnerung überprüft werden. Deshalb gelten Aussagen außerhalb des Gerichts als unzuverlässig.
Wenn der Mensch, der die Erklärung auf dem Sterbebett abgegeben hat, auch nur die leiseste Hoffnung auf Genesung hatte – egal, wie unbegründet sie gewesen sein mag –, dann wird die Aussage nicht als Beweis zugelassen. Eine Erklärung auf dem Sterbebett wird normalerweise vom Staatsanwalt (von der Anklage) eingebracht, kann aber auch zugunsten des Angeklagten verwendet werden.
Es ist ausschlaggebend, dass der oder die Betreffende glaubt, dass er bzw. sie stirbt, damit die Erklärung rechtlich anerkannt werden kann. Manchmal sagen Rettungskräfte in dem Bemühen, Mitgefühl zu zeigen und Hoffnung zu wecken, unüberlegt Sätze wie »Sie kommen wieder
in Ordnung« oder »Sie schaffen das«. Der entscheidende Punkt ist, dass die Aussage in dem Moment, in dem der Sterbende glaubt, dass es noch eine Überlebenschance gibt, vor Gericht nicht mehr gültig ist. Deshalb sind viele Rettungskräfte speziell geschult, wie sie die Aussagen von Sterbenden aufzunehmen und festzuhalten haben.
Ergänzung der Übersetzerin: Das deutsche Beweisrecht und Strafprozessrecht kennt kein Verbot des Zeugen vom Hörensagen, misst solchen Aussagen aber einen vergleichsweise geringen Beweiswert bei. In seinem Lehrbuch Deutsches Strafverfahrensrecht schreibt Volker Krey: »Der Zeuge vom Hörensagen ist ein zulässiges Beweismittel, das auch nicht dem Unmittelbarkeitsprinzip widerspricht. Grundsätzlich unbedenklich sind dabei solche Fälle, in denen der Zeuge vom Hörensagen mitteilt, was ihm ein inzwischen verstorbener Zeuge anvertraut hatte.« 2
Sogar Shakespeare lässt in König Johann den sterbenden Melun sagen: »Warum denn sollt ich falsch sein, da ich weiß, dass ich hier sterb und dort durch Wahrheit lebe?«
Das Gesetz stellt sich aufgrund von drei Überlegungen auf die Seite der Sterbenden:
Es gibt keine eigennützigen Zwecke mehr, die verfolgt werden könnten.
Wenn es einen Glauben an eine Strafe gibt, die eine höhere Macht schon bald für menschliches Fehlverhalten verhängen wird, dann wiegt die Angst vor dieser Strafe schwerer als jedes eventuell vorhandene Motiv für eine Täuschung und bildet das Gegengewicht zu einer möglicherweise vorhandenen Neigung, Rachegelüste zu befriedigen.
Selbst ohne
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