Am Ende ist da nur Freude
einen solchen Glauben gibt es eine natürliche, instinktive Ehrfurcht vor dem Herannahen einer unbekannten Zukunft – ein körperlich spürbares, unüberwindliches Erschaudern, das alle Menschen empfinden, unabhängig von ihrem religiösen Glauben.
Gegen Visionen auf dem Sterbebett (medizinisch) bzw. Erklärungen im Angesicht des Todes (juristisch) werden dieselben Argumente vorgebracht, jedoch mit unterschiedlichem Ergebnis. Angesichts desselben Arguments vom Sauerstoffmangel im Gehirn ziehen wir also unterschiedliche Schlüsse, wenn die Sterbenden von Visionen sprechen oder bestimmte Erklärungen abgeben. Nach Auffassung der westlichen Schulmedizin gelten die letzten Worte eines Sterbenden für gewöhnlich nicht als wahr; nach juristischer Auffassung hingegen geht man
nach Lage des Gesetzes davon aus, dass die Sterbenden die Wahrheit sagen.
Auch der Oberste Gerichtshof der USA interessierte sich für die »Glaubwürdigkeit« einer Erklärung im Angesicht des Todes. In dem Fall Mattox gegen die Vereinigten Staaten beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob die Zulassung von Erklärungen im Angesicht des Todes mit der Konfrontationsklausel im sechsten Verfassungszusatz vereinbar und damit verfassungsgemäß ist. (Nach der Konfrontationsklausel haben die Angeklagten das Recht, denjenigen, die sie eines Verbrechens beschuldigen, von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, d. Ü.) Das Gericht befand, dass die Zulassung dieser Aussagen mit der Verfassung vereinbar ist, und wies darauf hin, dass Erklärungen im Angesicht des Todes
… seit unvordenklicher Zeit … als kompetente Aussagen behandelt werden und bis heute niemand die Dreistigkeit besaß, ihre Zulassungsfähigkeit infrage zu stellen. … Wir gehen davon aus, dass die Vorahnung des bevorstehenden Todes jegliche Versuchung, die Unwahrheit zu sagen, auslöscht und einen ebenso starken Druck ausübt, bei der Wahrheit zu bleiben, wie ein Eid.
Visionen auf dem Sterbebett werden auch künftig zum Sterbeprozess dazugehören, auch wenn wir sie nie werden beweisen (oder widerlegen) können. Das Recht gibt eindeutig der Auffassung den Vorzug, dass den Worten
der Sterbenden Glauben zu schenken ist. Im Zuge meiner weiteren Forschungen fragte ich mich: Wird die Medizin sich dieser Einschätzung je anschließen? Soll man sterbenden Menschen nicht glauben, wenn sie sagen, dass sie ihren verstorbenen Vater sehen, wohl aber, wenn sie sagen, dass sie gesehen haben, wie ihr Nachbar ihren Vater ermordet hat?
Ich wünschte, dass man sich in der Medizin und im Gesundheitswesen der Glaubwürdigkeit, die solche Aussagen vor Gericht genießen, bewusster würde. Wenn unser Rechtssystem diese Aussagen derart wertschätzen kann, warum können das die Ärzte und Schwestern, die Ärztinnen und Pfleger am Bett eines sterbenden Patienten nicht ebenfalls? Im nächsten Abschnitt meiner Forschungsreise wollte ich direkt an die Quelle gehen.
Kapitel 3
Visionen von Sterbenden – Teil I
Zu freundlich, zu freundlich.
Letzte Worte von Florence Nightingale
Sehen wir uns jetzt die Visionen auf dem Sterbebett näher an, von denen Ärzte und Schwestern, Ärztinnen und Krankenpfleger mir berichtet haben. Manche Berichte betreffen ihre Patienten, andere ihre eigene Familie. Die medizinischen Fachkräfte, die hier sprechen, kommen nicht nur aus Hospizen und Palliativeinrichtungen, sie kommen aus vielen verschiedenen Bereichen der Medizin, darunter auch aus Intensivstationen und der Onkologie. Manche erlebten diese Visionen als Berufsanfänger, andere wesentlich später in ihrer Laufbahn.
Reine Familiensache
von Heather
Ich habe jahrelang als Krankenschwester in Kliniken gearbeitet. Ich glaube, mich im Gesundheitswesen gut auszukennen, aber nichts fordert einen so sehr heraus, wie wenn jemand aus der eigenen Familie krank wird.
An einem Samstagnachmittag waren meine Mutter Mabel und ich in der Stadt. Bis wir unsere Besorgungen erledigt hatten und wieder zu meinen Eltern nach Hause gefahren waren, war die Nacht hereingebrochen. Wir waren beide überrascht, wie plötzlich es dunkel geworden war, bis uns einfiel, dass ja in der Nacht zuvor die Uhren wieder eine Stunde zurückgestellt worden waren. Ich trug eine Einkaufstasche herein und rief meinen Vater, er möge bitte die Tür aufhalten, bekam aber keine Antwort. Meine Mutter und ich schauten uns an und fragten uns, was wohl los sei. Ich fing an, die Lebensmittel einzuräumen, und Mam suchte Dad. Sie war sich sicher, dass er
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