Am Ende ist da nur Freude
vor dem Fernseher eingeschlafen war. Tatsächlich lief der Fernseher, aber Joseph saß nicht davor. Mam suchte in allen Zimmern, auch im Vorgarten und hinter dem Haus, aber er war nirgendwo zu finden.
Dann rief sie ein paar Nachbarn an, aber auch die hatten ihn nicht gesehen. Nach einer Stunde machten wir uns beide größte Sorgen. Mit 85 Jahren hatte mein Vater aufgrund seines schlechten Sehvermögens das Autofahren aufgegeben, und jetzt hatten wir Angst, dass er doch versucht haben könnte zu fahren. Zwar stellten wir erleichtert fest, dass der Wagen noch in der Garage stand, aber wir konnten uns einfach nicht vorstellen, wo er hingegangen sein könnte und warum. Unsere Besorgnis wuchs noch, als wir seinen Geldbeutel auf der Kommode liegen sahen.
Mutter rief bei der Polizei an, und ich fuhr die Gegend ab und suchte ihn. Vier bange Stunden später erhielten wir einen Anruf. Ein Polizeibeamter hatte meinen Vater am anderen Ende der Stadt gefunden. Er wirkte verwirrt und schien nicht zu wissen, wo er war. In den folgenden Tagen gingen wir von einem Arzt zum anderen, nur um bestätigt zu finden, was wir vermuteten: Dad hatte Alzheimer.
Meine Mutter hatte natürlich bemerkt, dass ihr Mann älter wurde, aber wenn ihr auffiel, dass er hin und wieder etwas Seltsames tat, dann dachte sie sich nur: »Mit über 80 ist keiner mehr ein Genie.« Dennoch hätte sie nie erwartet, dass er einfach weggehen und vergessen würde, wo er wohnt. Nach der Diagnose richteten wir es so ein, dass er nie allein war, und tauschten sogar die Schlösser aus. Nun konnte man nur noch mit einem Schlüssel ins Haus hinein und heraus. Tagsüber sprangen Angehörige
und Freunde ein, wenn meine Mutter wegmusste und ich Dienst hatte.
Als wäre das nicht schon schwer genug gewesen, bekam meine Mutter auch noch Magenprobleme und fühlte sich sehr erschöpft. Jetzt hatte ich es mit zwei alternden Eltern mit nachlassender Gesundheit zu tun. Zusätzlich zur Alzheimererkrankung meines Vaters wurde bei meiner Mutter Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Bald musste ich feststellen, dass das Jonglieren mit meiner Arbeit, meinen Kindern und meinen kranken Eltern meine Kräfte überstieg. Meine Arbeit konnte ich nicht aufgeben. Meine Kolleginnen und Kollegen hatten immer mal wieder durchblicken lassen, dass es vielleicht an der Zeit war, meinen Vater in ein Pflegeheim zu geben. Dagegen hatte ich mich zwar zunächst gewehrt, aber jetzt sah es so aus, als bliebe mir gar nichts anderes übrig.
Deshalb sahen meine Eltern und ich uns nun Pflegeheime an und entschieden uns dann für SunsetGardens, wo es wirklich schön war. Dad war zufrieden, denn dieses Haus bot eine perfekte Mischung aus Komfort und Sicherheit. Schließlich war er immer noch ein starker Mann bei ansonsten bester Gesundheit. Es war ein Segen, dass der Umzug überraschend reibungslos verlief. Mam fiel es sehr schwer, von ihrem Mann getrennt zu leben. Wenn sie also nicht selbst Arzttermine hatte, dann war sie bei ihm in SunsetGardens.
Mit ihren 81 Jahren beschloss meine Mutter, sich keiner Chemotherapie oder anderen aggressiven Behandlung
zu unterziehen, sondern lieber der Natur ihren Lauf zu lassen. Der Arzt sagte, sie hätte noch etwa ein Jahr zu leben, aber keiner hatte erwartet, dass sie eines Tages auf dem Weg ins Badezimmer stürzen und sich die Hüfte brechen würde. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt war sie nun diejenige, die rund um die Uhr Pflege brauchte. Da ihre Bedürfnisse jedoch andere waren als die meines Vaters, kam sie in ein anderes Pflegeheim. Jetzt pendelte ich zwischen der Schule meiner Kinder, meiner Arbeit und zwei Pflegeheimen hin und her.
Der Zustand meiner Mutter verschlechterte sich rasch. Auf die gebrochene Hüfte folgte eine Harnwegsinfektion, darauf eine Lungenentzündung. Mit Fortschreiten ihrer Krankheit schaffte ich es immer weniger, meinen Vater zu besuchen. Andere Familienmitglieder sorgten dafür, dass er mindestens zwei bis drei Mal in der Woche Besuch hatte, auch wenn er damals seine Lieben bereits nicht mehr erkannte.
Mams Ärzte riefen die übrige Familie zusammen und erklärten, im Körper meiner Mutter liefe einfach zu vieles auf einmal schief, aber es habe keinen Sinn, sie zu weiteren Tests ins Krankenhaus zu verlegen. Wir waren einverstanden, wollten die endgültige Entscheidung aber Mam selbst überlassen. Sie sagte: »Ich habe nun über acht Jahrzehnte gelebt. Da kann ich mich nicht sonderlich beklagen – meine Zeit ist einfach um.«
Ich
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