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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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suchte nach einer Möglichkeit, dass meine Eltern zusammen sein könnten, aber das Heim meiner Mutter
nahm keine Alzheimerpatienten auf und das meines Vaters akzeptierte ausschließlich Menschen mit Alzheimer und anderen Formen der Demenz. Wir waren noch nicht einmal sicher, ob wir ihm überhaupt sagen sollten, wie schlecht es um Mam stand, denn er konnte ja nichts mehr tun. Wir hofften auf eine Möglichkeit, ihn ein paar Stunden mitnehmen zu können – da kam der Anruf, dass sich der Zustand meiner Mutter verschlechtert hatte. Ihr Blutdruck war abgefallen, und ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt.
    An jenem Abend saßen meine ganze Familie und ich bei Mam. Sie war immer noch hellwach, atmete allerdings hörbar schwerer als sonst. Plötzlich sah sie auf und sagte: »Joseph ist gestorben. Warum hat mir das keiner gesagt?« Ich fiel ihr beinahe ins Wort und korrigierte sie schnell: »Mam, Daddy ist nicht tot. Er ist immer noch in dem Pflegeheim. «
    Was sie sagte, erschütterte mich, und plötzlich wurde mir klar, dass ich Dad am besten sofort herbringen musste. Wir hatten Angst, dass bei meiner Mutter nun nach und nach die Körperfunktionen ausfallen könnten, und wollten deshalb, dass sie ihren Mann noch sehen konnte, solange sie noch in der Lage war, mit ihm zu sprechen.
    »Mam«, sagte ich, »wir wollen mal versuchen, ob das Pflegeheim uns erlaubt, Dad mitzunehmen, damit er dich besuchen kann.« Damit nickte ich meinem Cousin Jackie zu, er solle anrufen und mit dem Pflegeheim absprechen, dass einer von uns ihn abholen würde.
    »Joseph ist schon gekommen, um sich zu verabschieden«, beharrte Mam, »und er hat mir gesagt, dass ich bald bei ihm sein werde.«
    Wir schauten einander nur an, in dem stillen Einvernehmen, dass meine Mutter halluzinierte. Sanft erwiderte ich: »Mam, Dad ist im Pflegeheim, wir holen ihn ab und bringen ihn her.«
    Noch einmal wiederholte sie: »Nein, er ist tot.« Und dieses Mal setzte sie sich dabei auf. »Schau, da ist er doch!« Sie sah anscheinend durch uns alle hindurch und sagte dann: »Joseph, du bist zurückgekommen, um mich abzuholen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie ließ sich wieder ins Bett sinken.
    In diesem Augenblick winkten mir eine Krankenschwester und mein Cousin, ich solle kommen und im Schwesternzimmer mit ihnen sprechen. Kaum standen wir vor der Tür, sagte Jackie: »Heather, ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich habe im Pflegeheim angerufen, und Joseph ist tatsächlich vor einer Viertelstunde gestorben. Er hatte einen Herzinfarkt.«
    Mam starb zwei Tage danach. Zwar habe ich meinen Vater nicht gesehen, als er erschien, aber dass er zu meiner Mutter kam und dass sie jetzt wieder beisammen sind, war mir ein großer Trost. Da meine Eltern nicht mehr da sind, erzähle ich diese Geschichte kaum einmal jemandem, aber für mich war es, als habe nach einem medizinischen Albtraum das Universum eingegriffen und zugelassen, dass Mam und Dad friedlich und gemeinsam gehen
konnten. Ich gebe zu, dass das mein Verständnis übersteigt, aber ich glaube, dass mir damit ein kurzer Einblick in eine Welt gestattet wurde, die man kaum einmal zu sehen bekommt.

Was ist los?
    von Nathan
     
    Als frischgebackener Krankenpfleger lernte ich in den 1980ern aus erster Hand, dass der Tod nicht immer so eintritt, wie wir das erwarten. Ich erkannte, dass wir unsterbliche Wesen sind, die eine sterbliche Erfahrung machen.
    Damals arbeitete ich in einem großen Pflegeheim in New York in der Schicht von 15 bis 23 Uhr, und wie so oft in solch großen Einrichtungen wünschten wir alle, wir hätten mehr Zeit für die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner.
    Es war spät am Abend, und ich war fertig mit dem Füttern, Baden, ins Bett bringen und Bereitmachen für die Nacht. Plötzlich hörte ich ein unheimliches Stöhnen auf dem Flur. Es klang wie »neiiiiiiin, neiiiiiiin«. Ich erkannte sofort, dass das die Stimme meines Patienten Frank war, eines liebenswerten, leicht verwirrten älteren Herrn. Ich ging schnurstracks in sein Zimmer und fand ihn aufrecht im Bett sitzend. Er rüttelte an der Absturzsicherung an seinem Bett und reckte die Hände zum Himmel, wenn er »neiiiiiiin, neiiiiiiin« jammerte.
    »Was ist los, Frank?«, fragte ich.
    Er wandte den Blick von der Decke und sah nach unten, als ginge er von einem Ort weg und käme an einen anderen. Er sah mir direkt in die Augen und sagte mit Nachdruck: »Ich muss – es eilt!«
    Ganz der gute Krankenpfleger, der ich bin, brachte

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