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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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meinen Armen, sondern streckte sich nach oben, deshalb ließ ich ihn vorsichtig los und übergab ihn seiner Mutter. Schließlich fiel er abrupt auf das Bett zurück und starb. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Er hatte sich so sehr gewünscht, dass seine Mutter ihn umarmte, und sein Wunsch war ihm erfüllt worden.
    Ruhe in Frieden, Sammy.

Kein gespenstisches Erlebnis
    von Nora
     
    Ich bin klinische Sozialpädagogin und Leiterin der beruflichen Fortbildung bei einem Hilfsprogramm für Menschen nach Krebs. Seit 14 Jahren bin ich als Sozialpädagogin in einem ambulanten Transplantationszentrum tätig, davor habe ich an einem Krankenhaus in der Onkologie gearbeitet.
    Als ich bei der Familienhilfe arbeitete, hatte ich einen jungen Patienten namens Eric. Bei ihm war ein Hodgkins-Lymphom festgestellt worden, als er noch auf dem College war, doch nach der Behandlung war der Krebs verschwunden. Leider kehrte er zurück, und Eric brauchte eine Knochenmarkstransplantation. Er hatte vor kurzem geheiratet. Er und seine Frau waren beide Künstler und arbeiteten an der Universität am Ort. Sie waren gekommen, um einen unserer Lymphom-Spezialisten zu sprechen. So lernte ich ihn kennen.
    Ich unterstützte Eric und seine Familie bei dieser emotionalen Tortur, die eine Krebserkrankung bedeutet; doch die Krankheit kehrte auch nach der Transplantation zurück. Damals beschloss er, dass es wohl an der Zeit war,
ins Hospiz zu gehen, doch eine Infektion zwang ihn ins Krankenhaus.
    Eric und ich wussten beide, dass er am Ende seines Lebens angelangt war, deshalb sprachen wir oft über seine Trauer. Wir sprachen darüber, wie traurig es ihn machte, dass er bestimmte Dinge nicht mehr erleben würde. Eric vertraute mir an, dass es ihn ganz unglücklich machte, dass er nie ein Häuschen mit Garten besitzen, Kinder haben oder auch nur so etwas Belangloses wie den Müll zur Tonne tragen würde. Er erzählte mir, dass er bei seiner Großmutter aufgewachsen war, weil sich seine Mutter davongemacht hatte, als er noch klein war. Nana war jedoch vor vier oder fünf Jahren gestorben. Er sagte, als sie im Sterben lag, habe er sehr viel gebetet, seither allerdings nicht mehr.
    Eric blieb im Krankenhaus und wurde schließlich auf eine andere Station verlegt. Irgendwann piepste mich sein Arzt an und informierte mich, dass bei dem jungen Mann der Sterbeprozess begonnen hätte. Ich ging zusammen mit dem Krankenhauspfarrer in Erics Zimmer, und wir beobachteten, wie er immer wieder bewusstlos wurde. Er war erst der dritte Mensch, den ich sterben sah. Ich hörte, wie er nach Luft schnappte und dabei ein Geräusch machte, das manchmal als Todesrasseln bezeichnet wird. Das Seltsame dabei war, dass er währenddessen mit seiner verstorbenen Großmutter sprach.
    »Nana«, sagte er mit Kinderstimme. »Ich bin hier, ich komme.«
    Dann schien er aus der Kindheit in die Gegenwart zu gleiten und fragte: »Nana, weißt du, dass ich sterbe? Bist du wirklich da?«
    Ich sagte Eric, ich sei froh, dass seine Großmutter da sei. Er antwortete nicht, hielt die Augen aber starr auf einen Punkt links von mir an der Wand geheftet und fragte: »Bist du deshalb nach dieser langen Zeit wiedergekommen? «
    So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich wandte mich an den Arzt und erklärte ihm, wer Erics Großmutter war und dass sie vor ein paar Jahren gestorben war. »Ist das nicht erstaunlich«, fügte ich hinzu. »Was halten Sie davon?«
    Der Arzt beharrte darauf, dass Erics Gehirn unzureichend mit Sauerstoff versorgt würde und er wahrscheinlich halluzinierte. Ich ging zu Eric und legte meine Hand auf seine. Sie war kalt, weil der Körper seine Funktionen allmählich einstellte. Seine letzten Worte waren: »Nana, ich komme.« Ich beugte mich zu ihm hinunter und flüsterte: »Deine Nana ist da und holt dich ab.« Ich hoffe, dass ihn das ein wenig getröstet hat.
    Wenn ich an dieses Erlebnis denke, dann glaube ich, dass Erics Großmutter wirklich da war. Er sprach mit ihr genau so, wie er zuvor so oft mit mir gesprochen hatte, gerade so, als säße sie neben ihm. Es war absolut authentisch. Ich weiß, dass niemand beweisen kann, ob das real war oder nicht, aber es fühlte sich auf jeden Fall so an.
    Seither habe ich immer versucht, bei meinen Patienten zu sein, wenn sie sterben, und zu tun, was ich kann, damit
sie sich wohlfühlen und Frieden finden können. Ich bin kein besonders spiritueller Mensch, aber bei Eric und auch in einigen anderen Fällen habe ich gespürt, dass da jemand

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