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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Behinderung gingen ihre Familie und ihre Freunde davon aus, dass sie verwirrt war oder halluzinierte, und nahmen sie nicht ernst, obwohl sie keinerlei Schmerzmittel bekam.
    Meine Klientin erzählte weiterhin jedem, der es hören wollte, von dem Bus, auf den sie wartete, aber sie sprach nun auch von anderen Bussen, die angehalten hätten, um sie mitzunehmen, aber nicht die richtigen wären. Eines Tages fing sie wieder davon an, als ich gerade bei ihr war, und ich fragte sie, was denn der richtige Bus sei. Sie antwortete: »Er muss barrierefrei sein … er muss eine Rampe haben.«
    Als ich ihr sagte, sie brauche keine Rampe, weil sie keinen Rollstuhl habe, erwiderte Sharon: »Der richtige Bus hat eine Rampe. Alle guten Busse haben eine Rampe.« Und dann sagte sie mir: »Ich werde in den richtigen Bus steigen – in meinen Bus.« Kurz bevor sie im Alter von 52 Jahren starb, fiel mir auf, dass ihr Gesicht sich aufhellte
und sie sehr glücklich aussah. »Er ist da!«, sagte sie hocherfreut, »es ist der richtige Bus, und er hat eine Rampe.«
    Ich habe mit genügend Leuten mit tödlichen Krankheiten gearbeitet, um zu wissen, dass sie manchmal vom Aufbruch zu einer Reise sprechen, wenn sie bald sterben. Es muss nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, wie sie sich im Leben fortbewegt haben. Sharon bestand darauf, dass »der richtige Bus« eine Rampe haben würde, aber ich glaube, dass das gar nichts mit ihrer Behinderung zu tun hatte – es ging nur um die Art und Weise ihres Übergangs. Ich glaube, die Rampe war für sie ein Symbol für Barrierefreiheit.
    Bis heute glaube ich, dass Sharon den richtigen Bus genommen hat. Weil sich ihr Leben darum gedreht hatte, anderen zu helfen, dafür zu sorgen, dass sie trotz ihrer so genannten Beschränkungen gleiche Rechte bekamen, wurde sie in ihren letzten Tagen zur Anwältin in eigener Sache. Ganz offensichtlich hat sie den richtigen Bus gefunden, in dem auch die richtigen Menschen für sie saßen.

Ich mache eine Fahrt
    von Margaret
     
    Ich arbeite heute in einem Kriseninterventionszentrum, aber nie werde ich meine Tage als Sozialarbeiterin in einem Kinderkrankenhaus vergessen. Besonders gern erinnere ich mich an ein kleines Mädchen namens Teresa. Sie war etwa sechs Jahre alt und litt an einer sehr aggressiven Form der Mukoviszidose.
    Teresa war freundlich und lieb; außerdem hatte sie etwas so Zerbrechliches an sich, dass andere Kinder sich unbedingt um sie kümmern wollten, und sie war sehr beliebt. Als sie dieses Mal wieder ins Krankenhaus kam, lag leider die Vorahnung in der Luft, dass sie es wohl nicht mehr lebend verlassen würde. Es war schwer vorherzusagen, aber ihre Lungenfunktion war schon fast vollständig ausgefallen.
    Einmal bat sie um ihre Puppen von zu Hause. Sie hatte zwei Puppen mitgebracht, aber jetzt gab sie ihrer Mutter deutlich zu verstehen, dass alle Puppen bei ihr sein mussten. Darum hatte sie noch nie gebeten. Etwas besorgt ging ihre Mutter nach Hause und sammelte alle Puppen ein. Sie hatte ganz schön zu schleppen, denn Teresa besaß
jede Puppe und jedes Stofftier, das man sich nur vorstellen konnte. Das kleine Mädchen liebte jede einzelne. Jeder Puppe und jedem Tier hatte sie einen Namen und eine Geschichte gegeben.
    Als Teresas Zustand sich verschlechterte, fing sie an, ihre Puppen an andere kranke Kinder zu verschenken. Ihre Mutter machte sich Sorgen und fragte sie, was sie denn tun wolle, wenn sie nach Hause käme und ihre alten Gefährtinnen nicht mehr da wären.
    »Mami«, erwiderte Teresa, »ich gehe nicht mehr in dieses Zuhause. Ich mache eine Fahrt, und meine Puppen können nicht mitkommen.«
    Ihre Mutter war zutiefst erstaunt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie sah einfach zu, wie ihre Tochter nach und nach alle ihre Puppen und Stofftiere verschenkte. Die anderen Kinder, die offensichtlich verstanden, dass Teresa sterben würde, versuchten ihre Mutter zu trösten. Sie sagten ihr zum Beispiel: »Wir hoffen ganz bestimmt, dass es ihr bald besser geht, damit wir ihr die Puppen zurückgeben können.«
    Als für Teresa das Atmen immer beschwerlicher wurde, sagte sie ihrer Mutter, sie werde sie »zu Hause« wiedersehen.
    »Ich koche dir dein Lieblingsessen!«, versicherte ihr die Mutter. »Burger und Bananenpie mit Sahne! Und alle bringen dir deine Puppen wieder, damit du wieder für sie da sein kannst.«
    Teresa umarmte ihre Mutter und erwiderte sanft: »Ich
brauche meine Puppen nicht mehr, Mami. Ich möchte, dass die anderen sie behalten.

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