Am Ende ist da nur Freude
zu sagen, wie sein Körper »abschalten« würde.
Ich konnte sehen, dass der Lehrer in ihm alle Aspekte dessen, was er durchmachte, verstehen wollte. Also erklärte ich ihm, Sterben sei so, wie wenn eine große Fabrik voller Maschinen, Fließbänder und riesiger
Kessel stillgelegt würde. Wenn der »Aus«-Knopf gedrückt wird, steht nicht sofort alles still, sondern die Maschinen knarren und stöhnen, bis alles immer langsamer wird und schließlich zum Stillstand kommt.
Wir hatten uns etwa 20 Minuten unterhalten, als er plötzlich den Kopf umwandte und zum Fenster hinaussah.
»Was ist los?«
»Gestern Nacht habe ich etwas gesehen, was einfach keinen Sinn ergibt. Ich wachte mitten in der Nacht auf, und mein Zimmer war voller Leute. Ich konnte nicht verstehen, was los war. Ich wusste, dass die Ärzte um diese Zeit nicht mehr mit ihren Studenten auf Visite gehen. Ich schaute in die Gesichter, die ich sah – es wurden immer mehr. Ich erkannte zwar nur wenige, dennoch kamen mir alle irgendwie bekannt vor. Und plötzlich wurde mir klar, dass all diese Leute tot waren. Ich erkannte sogar einen Arbeitskollegen, der vor fünf Jahren an Krebs gestorben war.«
Wir unterhielten uns über die Vision, und dann bat ich ihn, die Menschen aufzuzählen, die in seinem Umfeld bereits gestorben waren.
»Meine Frau.«
»Das ist eine.«
»Meine Eltern und Schwiegereltern.«
»Sie haben auch von einem Kollegen gesprochen, der gestorben ist, und von einem Studenten, der vor 20 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Das sind schon sieben. Haben Sie Ihre Großeltern gekannt? «
»Ja, natürlich, aber die sind schon sehr lange tot.«
»Woher kamen sie?«
»Aus Polen«, sagte Mr. Hill. »Meine Großeltern und ihre neun Geschwister kamen alle innerhalb von fünf Jahren nach Amerika. Manche waren schon gestorben, bevor ich geboren wurde, und als ich zehn war, waren sie alle tot.« Er hielt inne und genoss die Erinnerung, dann betonte er: »Damals sind die Leute viel früher gestorben. «
»Das stimmt, jetzt reden wir schon von etwa 18 Leuten, das ist eine große Gruppe. Aber hören wir damit nicht auf. Wie viele Jahre haben Sie unterrichtet?«
»Nach 40 Jahren ging ich in Pension.«
Er wusste, worauf ich hinauswollte, als ich sagte: »Ich wette, einige Ihrer Schüler sind bereits verstorben, und Sie wissen es gar nicht. Die meisten Eltern, mit denen Sie Kontakt hatten, sind wahrscheinlich ebenfalls nicht mehr da. Das ist ein Zimmer voll mit sehr vielen Leuten.«
Er nickte und ließ sich zufrieden auf sein Kissen sinken, als ob eine komplexe Frage endlich beantwortet worden wäre.
Wenn wir akzeptieren können, dass uns am Ende des Lebens ein Mensch in Empfang nehmen kann, könnten dann nicht auch mehr da sein als nur einer? Gehen wir noch einmal ans andere Ende des Spektrums: Wenn ein Kind geboren wird, sind im Wartezimmer der Entbindungsstation meist viele Freunde und Familienangehörige,
die das Neugeborene begrüßen wollen. Sollte es dann wirklich unsere Vorstellungskraft übersteigen, wenn wir annehmen, dass auch beim Tod Leute kommen, um uns mit ihren guten Wünschen zu begleiten?
Visionen von überfüllten Räumen sind für Sterbende und die Menschen, die ihnen zur Seite stehen, nichts Neues. Ich freue mich, dieses Buch mit Erzählungen über diesen letzten Typus der Phänomene am Sterbebett abzuschließen.
Die goldene Tür
von Teri
Ich bin Krankenhauspfarrerin und arbeite mit einer wunderbaren Sekretärin zusammen. Sie heißt Martha und ist Anfang 60. Eines Tages erzählte sie mir, dass ihre Tochter Dorothy es sehr schwer im Leben hat. Sie war ein »schwieriges« Kind gewesen und hatte eine turbulente Pubertät durchgemacht.
Heute, als Erwachsene, war Dorothy geschieden und verlor gerade ihren Kampf gegen den Eierstockkrebs. Weil sie nicht mehr arbeiten konnte, musste sie ihre Wohnung aufgeben und wieder zu ihrer Mutter ziehen.
Martha nahm sie gerne wieder zu Hause auf und strich ihr Zimmer sogar hellblau – die Lieblingsfarbe ihrer Tochter. Ich besuchte sie von Zeit zu Zeit, und obwohl Dorothy keine regelmäßige Kirchgängerin war, glaubte sie an Gott.
Dorothys Zustand verschlechterte sich, und ihre Gesundheit verfiel rasch, bis sie schließlich ans Bett gefesselt war. Bald danach fiel ihrer Mutter auf, dass sie anfing, immer in eine Ecke an der Zimmerdecke zu schauen und einen bestimmten Punkt an der Wand zu fixieren.
Als Dorothy eines Tages wieder auf diese Stelle starrte, platzte es plötzlich aus
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