Am Ende zählt nur das Leben
außerhalb der Stadt. Mir gefiel es dort auf Anhieb. Sein Appartement wirkte durch die Holzbalken und das hübsche Mobiliar wie ein gemütliches Nest. Das Badezimmer zeigte mir, dass auch ein alleinstehender Mann Ordnung halten kann. Wir verbrachten ein schönes Wochenende miteinander, und meine Neugier auf den Cay und die fremde Stadt wurde immer größer.
Bereits Mitte der folgenden Woche machte er mir am Telefon einen weiteren verlockenden Vorschlag.
»Liebe Katja, ich möchte dir zwei Fragen stellen. Auf die erste darfst du mit Nein antworten, die zweite musst du mit Ja beantworten. Bitte versprich es mir!«
»Was soll ich versprechen? Was möchtest du fragen?«, wollte ich wissen und musste sofort loslachen. Ihm fiel auch immer etwas Verrücktes ein.
»Kennst du eigentlich Frankfurt?«
»Ich? Nein, überhaupt nicht.«
»Siehst du, und ich kenne die Stadt auch viel zu wenig und möchte sie mir genauer anschauen. Das ist mit dir zusammen viel schöner als allein. Ich sehe uns beide schon durch die Straßen bummeln und am Main spazieren gehen. Möchtest du dich dort mit mir treffen?«, fragte er, und ich musste nicht lange überlegen. Etwas Abwechslung konnte mir sicher nicht schaden, denn seit dem letzten Sommer war ich quasi nicht mehr rausgekommen.
»Ja!«
Wenig später schickte er ein Fax in die Arztpraxis, in der ich arbeitete. Es handelte sich um die Buchung meiner Bahnfahrkarte und eine passende Zugverbindung.
In Frankfurt wartete mein Verehrer am Bahnsteig und zeigte sich während des gesamten Wochenendes von seiner besten Seite. Er hatte alles perfekt organisiert. Am Samstag fuhren wir auf Inlineskatern am Mainufer entlang. Sobald ich Appetit verspürte, saßen wir auch schon in einem netten Restaurant. Cay kümmerte sich um alles. Ich musste mich nur noch fallen lassen. Bei einem romantischen Dinner bekam ich das Gefühl, meinen Liebeskummer um Robert überwinden zu können.
Alles ging plötzlich so schnell. Nie zuvor war ich derart viel unterwegs gewesen. Im Stillen musste ich mir eingestehen, dass ich mit meinem älteren Freund und den ständigen Reisen auch meinem Freundeskreis imponieren wollte: Schaut her! Die kleine Katja hat einen reiferen Mann an der Seite, der sie lieb hat, verwöhnt und umschwärmt. Ich verbringe alle paar Wochenenden in einer anderen Stadt.
Auch meine Familie bekam eine neue Seite ihres Nesthäkchens zu sehen.Und außerdem war mein abenteuerliches Leben die perfekte Ablenkung vom Trennungsschmerz, der noch immer in mir stach.
Beim nächsten Besuch in Norddeutschland holte Cay mich eines Abends von der Tanzstunde ab, wo ich noch immer gemeinsam mit Robert einen Kurs besuchte. Inzwischen versuchten wir einen freundschaftlichen Umgang miteinander, was mir nicht immer leichtfiel, aber schließlich blieb mir nichts anderes übrig. Von Robert gab es nicht das kleinste Anzeichen von Interesse an einer Partnerschaft mit mir. Immerhin funktionierte das gemeinsame Tanzen problemlos.
Als ich Cay in der Eingangshalle entdeckte, ging ich im Schnellschritt auf ihn zu, umarmte ihn überschwänglich und gab ihm einen Kuss, insgeheim in der Hoffnung, dass Robert es sah und hoffentlich eifersüchtig wurde. Aber mein Exfreund grüßte nur freundlich, und dann gaben die beiden sich sogar die Hand. Sie standen nebeneinander, und dieser Anblick verwirrte mich. Cay gefiel mir, aber ich liebte Robert immer noch. Ich sollte den Verlust endlich überwinden, sagte ich mir, denn ganz offensichtlich gab es kein Zurück mehr.
Die beiden konnten kaum unterschiedlicher sein. Cay war – wie stets – modisch gekleidet, bestens gelaunt und vor Energie strotzend. An seiner Seite musste man sich regelrecht anstrengen mitzuhalten. Er war eben ein richtiger Mann! Robert hingegen trug eine tief sitzende Jeans zum Kapuzenpulli. Er war mitten im Abiturstress und wirkte abwesend. Seine neue Freundin dürfte derzeit wenig Freude an ihm haben, dachte ich bei mir.
Mein neuer Freund
Am Anfang war ich nicht in Cay verliebt. Zum Verliebtsein gehörte für mich neben Schmetterlingen im Bauch und Herzklopfen bis zum Hals auch der Glaube an eine gemeinsame Zukunft, und die konnte ich mir mit Cay noch nicht vorstellen. Wir lebten in den Tag hinein oder, besser gesagt, von einem Wochenende zum nächsten.
Als Cay wieder einmal nach Norddeutschland kam, beschloss ich, ihn meinen Eltern vorzustellen. Dieses Zusammentreffen war ohnehin unumgänglich, denn schließlich wollte er auch bei mir übernachten. Bei
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