Am Ende zählt nur das Leben
seinen Eltern, die nur wenige Kilometer entfernt wohnten, wäre ein gemeinsames Übernachten auf keinen Fall möglich, betonte er. Bisher kannte ich weder seine Familie, noch war er bei meinen Eltern vorstellig geworden. Wir hatten uns immer allein getroffen und waren uns genug gewesen. Doch nun war es so weit. Ich machte ihm die Hintertür auf, und schon stand er meiner Mutter gegenüber.
»Guten Tag. Ich bin der Cay«, sagte er und gab ihr die Hand.
»Guten Tag.«
Cay war elegant gekleidet, und ich sah, wie meine Mutter ihn musterte und offenbar überrascht von seiner Erscheinung war. Cay sah wirklich attraktiv aus, ein Mann, der auf passende Schuhe und gut sitzende Hosen und Hemden achtete. Er war kein Oberschüler mit überweiten Jeans und hängenden Schultern. Hier stand ein weltgewandter Mann, der nun auch meinem Vater die Hand gab.
»Wie geht es Ihnen?«, grüßte er förmlich, und meine Mutter schaute mich an. Irgendetwas schüchterte sie ein. Bald verschwand sie in der Küche und kochte einen Kaffee.
»Lass mal, Mama, wir bleiben nicht lange.«
»Doch, doch. Setzt euch hin.«
Mein Vater war gesprächiger, aber auch mit ihm stockte die Unterhaltung. Seltsamerweise hielt Cay sich mit lustigen Sprüchen zurück. Das war ich nicht von ihm gewohnt, war er doch immer Herr der Lage und mitreißend in seinen Anekdoten, die er sonst so gern zum Besten gab. Jetzt aber wirkte er gerade so, als sei er in einer fremden Welt gelandet und müsse sich erst einmal orientieren. Ich sah, wie er sich unauffällig umschaute. Mein Vater war Schlosser, und in unserem Einfamilienhaus hatte er vieles selbst gebaut und im Laufe der Jahre erweitert. Im Garten gab es Gemüsebeete und Obstbäume. Die Nachbarn in der Siedlung lebten in ähnlichen Häusern mit großen Gemüsegärten.
Von dem Altersunterschied zwischen Cay und mir wusste meine Mutter bereits. Auch wenn sie davon nicht begeistert war, so musste sie doch einräumen, selbst acht Jahre jünger als mein Vater zu sein.
Es wollte kein richtiges Gespräch aufkommen, und ich vermutete, dass meine Mutter immer noch Robert hinterhertrauerte und sich deshalb Cay gegenüber so reserviert gab. Mit Robert hatte sie sich immer wie mit einem Sohn unterhalten. Cay gegenüber blieb sie steif.
Auch mir fiel nichts ein, um die Unterhaltung in Schwung zu bringen. Bisher hatte ich Cay noch nie sprachlos erlebt. Es musste doch ein Thema geben, das zumindest beide Männer interessierte.
»Wir haben noch einen Termin«, sagte Cay schließlich und schaute mich an.
»Ja, wir gehen auf den Golfplatz. Cay möchte eine Runde spielen«, pflichtete ich ihm bei.
Ich war nie zuvor auf einem Golfplatz gewesen und blickte in das verwunderte Gesicht meiner Mutter. Das war das i-Tüpfelchen, überlegte ich. Cays elegantes Auftreten und dann auch noch ein Besuch auf dem Golfplatz. Das war eine Welt, mit der wir nichts zu tun hatten. Bis zu jenem Tag wusste ich kaum, wo der Golfplatz sich überhaupt befand.
»Ja … äh, gut, viel Spaß«, sagte sie zum Abschied.
»Tschüß, bis später oder bis morgen. Kann spät werden. Wir gehen abends noch in die Stadt, ein paar Freunde treffen«, sagte ich und war froh, als wir endlich draußen waren.
Cay verlor kein Wort über die Begegnung. Eigentlich fand ich es auch ganz normal, wenn beim ersten Kontakt nicht alles rund lief. Alle mussten sich schließlich erst einmal beschnuppern. Selbst wir beide waren uns doch noch fremd, wie sollte da mit meinen Eltern auf Anhieb eine lockere Plauderei zustande kommen?
Auf dem Golfplatz fühlte ich mich wie im falschen Film. Cay wollte unbedingt eine Runde drehen, auf seinem Heimplatz, wie er es nannte. Das Wetter war gut, und der Rasen erfüllte angeblich höchste Ansprüche. Schon beim Ausladen der Ausrüstung und beim Anziehen spezieller Schuhe und Handschuhe staunte ich über das aufwendige Zubehör. Cay wirkte ungemein routiniert und selbstsicher, wie der Herr über den Platz. Gelegentlich warf er anderen Golfern einen kurzen Gruß zu und konzentrierte sich dann sofort wieder auf seinen Abschlag. Ich hatte überhaupt keine Ahnung vom Spiel und dem ganzen Drumherum, und so erklärte Cay mir zunächst die Regeln und einige Grundbegriffe. Für mich war alles fremd, und immer wieder fragte ich mich im Stillen, wie man sich auf solch einem Platz benimmt. Je mehr ich darüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich. Cay schwang seinen Schläger und versuchte mich mit Scherzen bei Laune zu halten. Ich lächelte und
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