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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Todes, der ihn dahinraffte. Dann kniete ich mich neben ihn und drehte ihn um. Seine Augen richteten sich auf das Kreuz, und ich hatte den Eindruck, er würde lächeln. Er wandte den Kopf zur Seite und sah die Blutlache, die sich um ihn herum ausbreitete. Sein Blick bedeutete mir, dass ich mich tiefer über ihn beugen sollte.
    »Die verborgenen Pyramiden«, murmelte er mit einem letzten Lebenshauch, »das Wissen, der andere Text. Wenn Sie ihn irgendwann finden, lassen Sie ihn ruhen, ich flehe Sie an, es ist noch zu früh, ihn zu enthüllen. Tun Sie nichts, was nie wiedergutzumachen ist!« Das waren seine letzten Worte.
    Allein in dem verlassenen Kirchenschiff hörte ich von draußen Walters Stimme, die mich inständig bat zu kommen. Mit einer schnellen Handbewegung schloss ich die Augen des Geistlichen, griff nach dem blutverschmierten Text und verließ verstört das Gotteshaus. Keira saß zitternd auf den Stufen und sah mich ungläubig an, als hoffe sie, ich würde ihr sagen, alles sei nur ein böser Traum gewesen, und sie mit einem Fingerschnippen in die Realität zurückholen - doch das übernahm Walter.
    »Wir müssen sofort von hier verschwinden, hören Sie? Reißen Sie sich zusammen, später können Sie sich dann gehen lassen. Verdammt noch mal, Adrian, so kümmern Sie sich doch
um Keira und dann los! Wenn der Mörder noch in der Umgebung ist, wird er kaum Lust haben, drei Zeugen zurückzulassen!«
    »Wenn man uns hätte umbringen wollen, wären wir schon tot!«
    Ich hätte lieber den Mund halten sollen, denn kaum hatte ich das gesagt, schlug schon eine Kugel vor meinen Füßen ein. Ich fasste Keira beim Arm und zog sie zur Straße. Walter folgte uns, und wir rannten, bis wir außer Atem waren. Am Ende der Cooper Lane fuhr ein Taxi vorbei, Walter brüllte und winkte, der Fahrer bremste und legte den Rückwärtsgang ein. Er fragte uns, wohin wir wollten, und wir antworteten wie aus einem Munde: »So weit weg wie möglich!«
     
    Als wir wieder bei mir zu Hause waren, drängte mich Walter, mein Hemd, das vom Blut des Priesters befleckt war, zu wechseln, auch Keiras Kleider waren bespritzt. Ich führte sie zum Badezimmer, sie streifte Pullover und Hose ab und trat mit mir unter die Dusche.
    Ich erinnere mich, ihr die Haare gewaschen zu haben, als wolle ich sie von der Besudelung befreien, die auf unserer Haut klebte. Sie legte den Kopf an meine Brust, und das warme Wasser erweckte unsere erstarrten Körper erneut zum Leben. Dann hob Keira die Augen und sah mich an. Ich hätte ihr gerne etwas Beruhigendes gesagt, doch nur meine Hände versuchten, sie zu beschwichtigen - kleine Zärtlichkeiten, um das gemeinsam durchgemachte Grauen zu vertreiben.
    Als wir im Wohnzimmer zurück waren, bot ich Walter saubere Kleidung an.
    »Wir müssen aufhören«, murmelte Keira, »erst der Stammeschef, jetzt der Priester, was haben wir nur getan, Adrian?«
    »Der Mord an diesem Mann hat nichts mit Ihren Forschungen
zu tun«, versicherte Walter, der frisch umgezogen eintrat. »Er war ein politischer Flüchtling, und es ist nicht der erste Anschlag auf ihn. Miss Jenkins hatte mir schon vor diesem Treffen von ihm erzählt. Er hielt Vorträge, setzte sich für Frieden und Versöhnung der Ethnien in Ostafrika ein. Friedenskämpfer haben immer Feinde. Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    Ich schlug vor, zur Polizei zu gehen, unsere Aussage könnte vielleicht bei den Ermittlungen helfen. Die Dreckskerle, die das getan hatten, mussten unbedingt festgenommen werden.
    »Was wollen Sie denn bezeugen?«, fragte Walter. »Haben Sie irgendetwas beobachtet? Nein, wir gehen nirgendwohin! Ihre Fingerabdrücke sind überall, Adrian, mindestens hundert Menschen haben Sie in der Messe gesehen, und wir waren die Letzten, die mit dem Pater zusammen waren, ehe er ermordet wurde.«
    »Walter hat nicht unrecht«, bemerkte Keira. »Wir sind geflohen, sie werden wissen wollen, warum.«
    »Weil man auf uns geschossen hat, ist das kein ausreichender Grund?«, rief ich erregt. »Und wenn dieser Mann bedroht war, warum hat ihn die Regierung dann nicht geschützt?«
    »Vielleicht wollte er das ja nicht?«, meinte Walter.
    »Und warum sollte uns die Polizei verdächtigen? Ich sehe nichts, was uns mit diesem Mord in Verbindung bringen könnte.«
    »Ich schon«, murmelte Keira. »Ich habe etliche Jahre im Heimatland dieses Mannes, in Äthiopien, verbracht. Ich habe in der Grenzregion gearbeitet, in der seine Feinde leben. Das könnte den Ermittlern

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