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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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›Walter, Sie sind genial!‹«
    »Wer ist diese Freundin, der wir diesen unschätzbaren Dienst verdanken?«
    »Miss Jenkins«, antwortete Walter fast verlegen.
    »Das ist eine Nachricht, die mich doppelt freut: Walter, Sie sind genial!«
     
    Ich war so glücklich, ihn wiederzusehen, dass ich ihn spontan zu mir nach Hause einlud. Während des Essens lernten sich Walter und Keira besser kennen. Abwechselnd berichteten wir von unseren Abenteuern und Missgeschicken im Omo-Tal, in Nebra und, nicht zu vergessen, in Frankfurt und Paris. Wir zeigten ihm den Text, den wir in der deutschen Nationalbibliothek gefunden hatten, und Max’ Übersetzung. Er las sie mit größter Aufmerksamkeit, ohne jedoch den Sinn zu verstehen. Jedes Mal, wenn Walter zu mir in die Küche kam oder wir allein am Tisch waren, versicherte er mir, wie fantastisch, umwerfend und wunderbar er Keira finde. Ich schloss daraus, dass er ihrem Charme verfallen war, und es stimmt, Keira war unglaublich charmant.
     
    Was Walter uns nicht gesagt hatte, war, dass wir zunächst dem gesamten Gottesdienst beiwohnen mussten, ehe wir mit dem Pater sprechen konnten. Ich muss gestehen, dass ich mich nur widerwillig dorthin begab, war mein Verhältnis zu Gott doch seit meiner Kindheit äußerst distanziert. Trotzdem fand ich die Zeremonie sehr anrührend, und die Schönheit der Gesänge war ebenso ergreifend wie die Aufrichtigkeit der Andacht selbst. In dieser Kirche strahlte alles nur Güte aus. Als sich am Ende der Messe der Raum leerte, kam der Priester zu uns und bat uns, ihm zum Altar zu folgen.

    Er war von kleinem Wuchs, sein Rücken gebeugt, vielleicht von der Last all der Beichten, die er entgegennahm, oder durch die Kriege und Genozide der Vergangenheit. Nichts von all dem Bösen schien an ihm zu haften. Seine tiefe, betörende Stimme hätte den Wunsch auslösen können, ihm überallhin zu folgen.
    »Das ist ein höchst erstaunliches Dokument«, sagte er, nachdem er es zweimal gelesen hatte.
    Zu meiner großen Verwunderung beachtete er die beigefügte Übersetzung gar nicht.
    »Sind Sie sicher, dass es authentisch ist?«
    »Ja.«
    »Das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, ist weniger die Übersetzung als die Interpretation. Man überträgt ja auch ein Gedicht nicht wörtlich. Das Gleiche gilt für alte Schriften. Man kann in ein heiliges Dokument fast alles hineindeuten, was man will. Die Menschen zögern oft nicht, wohlmeinende Überlieferungen zu verfälschen, um sich widerrechtlich Macht anzueignen und ihre Ziele bei den Gläubigen durchzusetzen. Die Heilige Schrift droht und befiehlt nicht, sie weist einen Weg und überlässt es dem Menschen, den zu finden, der ihn führen soll - nicht in seinem Leben, sondern zum Leben. Doch jene, die behaupten, das Wort Gottes zu verstehen und weiterzutragen, sehen das nicht immer so und nutzen die Gutgläubigkeit derer aus, die sie beherrschen wollen.«
    »Warum sagen Sie uns das, Pater?«
    »Weil ich Ihre Absichten kennen möchte, bevor ich Ihnen mehr über die Natur dieses Textes enthülle.«
    Ich erklärte, ich sei Astrophysiker und Keira Archäologin, und der Priester überraschte mich, als er sagte, eine solche Verbindung sei nicht ohne Folgen.
    »Sie suchen beide nach etwas, dessen Verständnis gefährlich
sein kann. Sind Sie sicher, den Antworten gewachsen zu sein, die Sie womöglich auf dem Weg dorthin finden?«
    »Was könnte daran gefährlich sein?«, fragte Keira.
    »Das Feuer ist ein wertvoller Verbündeter des Menschen, doch es ist eine Gefahr für das Kind, das sich seiner nicht zu bedienen weiß. Dasselbe gilt für gewisse Kenntnisse. Im Grunde sind wir noch Kinder, sehen Sie sich unsere Welt an, dann begreifen Sie, wie sehr es uns noch an Reife mangelt.«
    Walter beteuerte, Keira und ich seien durchaus ehr- und vertrauenswürdig. Der Priester lächelte.
    »Was wissen Sie vom Universum, Herr Astrophysiker?«
    Seine Frage hatte nichts Arrogantes, und in seinem Ton schwang keine Selbstzufriedenheit mit, doch ehe ich antworten konnte, sah er Keira wohlwollend an und meinte:
    »Da Sie glauben, meine Heimat sei die Wiege der Menschheit, haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum?«
    Wir hofften beide, ihm treffende und wissenschaftlich fundierte Antworten geben zu können, doch er stellte uns sogleich eine dritte Frage:
    »Glauben Sie, Ihre Begegnung war unvorhergesehen und dieses Dokument ist zufällig in Ihre Hände gelangt?«
    »Ich weiß es nicht, Pater«, sagte Keira zögernd.
    »Glauben

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