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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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zu weit auf ihr Terrain vorgewagt hatte. Während der nächsten vierundzwanzig Züge wechselten Vackeers und Ivory kein Wort.
    »Wenn Sie endlich zugeben, dass meine Theorie begründet ist, und bereit sind zu tun, was ich Ihnen sage, dann haben wir gemeinsam vielleicht eine Chance, etwas gegen die Pläne dieses Narren, Ashton, auszurichten.«
    Ivory nahm seinen Turm und setzte ihn auf H4.
    »Sie sind schachmatt, Vackeers, aber das wussten Sie schon seit dem fünften Zug.«
    Ivory erhob sich und holte aus seinem Sekretär den auf Ge’ez verfassten Text, dessen Übersetzung er bis spät in der Nacht überarbeitet hatte.

London
    Keira hatte die Bibliothek der Akademie nicht verlassen. Wir hatten sie zum Abendessen abholen wollen, sie aber bestand darauf, ihre Lektüre in Ruhe allein zu beenden. Sie hob kaum den Kopf und vertrieb uns mit einer Handbewegung.
    »Geht essen, Jungs, ich habe zu tun, na verschwindet schon!«
    Auf Walters Einwand, die Bibliothek würde schließen, reagierte sie erst gar nicht, so musste mein Kollege den Nachtwächter bitten, Keira weiterarbeiten zu lassen, so lange sie wollte. Sie versprach, uns später bei mir zu Hause zu treffen. Als sie um fünf Uhr morgens immer noch nicht da war, stand ich beunruhigt auf und nahm meinen Wagen.
    Die Eingangshalle der Akademie war ausgestorben. Der Nachtwächter schlief hinter seinem Schalter. Als er mich hörte, schreckte er auf. Keira hatte die Akademie nicht verlassen können, die Türen waren abgesperrt und ohne einen Hauptschlüssel hätte sie sie nicht öffnen können. Vom Nachtwächter gefolgt lief ich eilig über den Gang zur Bibliothek.
    Keira bemerkte mich nicht einmal, als ich durch die Glastür beobachtete, wie sie ganz in ihre Lektüre versunken dasaß. Von Zeit zu Zeit notierte sie etwas in einem Heft. Ich hüstelte, um auf mich aufmerksam zu machen, sie hob den Kopf und lächelte mir zu.
    »Ist es spät?«, fragte sie und streckte sich.
    »Oder früh, wie man will. Der Morgen graut.«
    »Ich glaube, ich habe einen Bärenhunger«, sagte sie und
schloss das Buch. Sie stellte es zurück an seinen Platz, packte ihre Notizen ein, hakte mich unter und fragte, ob ich sie irgendwohin zum Frühstück führen könnte.
     
    Die Stadt in der Ruhe der frühen Morgenstunden zu durchqueren ist traumhaft. Wir begegneten einem Milchwagen, der seine erste Runde machte - zum Glück sind in London nicht alle Traditionen verloren gegangen.
    Ich parkte in Primrose Hill. Gerade wurde das Eisengitter eines Teesalons hochgezogen, und die Wirtin baute die ersten Tische auf der Terrasse auf. Sie war bereit, uns ein Frühstück zu servieren.
    »Was stand so Faszinierendes in dem Buch, dass es dich die ganze Nacht beschäftigt hat?«
    »Ich habe mich erinnert, dass der Priester nicht von zu entdeckenden Pyramiden gesprochen hat, sondern von versteckten - das ist nicht dasselbe. Das hat mich beschäftigt, und ich habe mehrere Werke konsultiert.«
    »Entschuldige, aber der Unterschied ist mir nicht klar.«
    »Es gibt offenbar drei Orte auf der Welt, wo Pyramiden versteckt sind: In Zentralamerika wurden einige Tempel entdeckt und gleich wieder vergessen, das heißt von der Natur überwuchert. In Bosnien haben Satellitenbilder Pyramiden gezeigt, und man weiß immer noch nicht, wer sie gebaut hat; dann gibt es in China welche, aber da verhält sich die Sache ganz anders.«
    »Was? In China gibt es Pyramiden?«
    »Es gibt Hunderte. Bis etwa 1910 waren sie in der westlichen Welt völlig unbekannt. Die meisten liegen in der Provinz Shaanxi, in einem Umkreis von hundert Kilometer rund um die Stadt Xi’an. Die ersten wurden 1912 von Fred Meyer Schroder und Oscar Maman gefunden, weitere 1913 von einer senegalesischen Mission. 1945 soll ein amerikanischer Pilot auf dem
Weg von Indien nach China über dem Gebirgszug Qin Ling eine Luftaufnahme von einer Anlage gemacht haben, die er später die ›Weiße Pyramide‹ nannte. Seither hat man ihre Position nie mit Sicherheit ausmachen können, aber sie soll größer als die Cheops-Pyramide sein. Im Frühjahr 1947 wurde zu diesem Thema ein Artikel in den New York Sunday News veröffentlicht. Im Gegensatz zu ihren Verwandten aus der Kultur der Maya oder Ägypter ist der Großteil der chinesischen Pyramiden nicht aus Stein, sondern aus Lehm erbaut. Man weiß, dass sie wie auch in Ägypten zur Beisetzung der Kaiser und großer Familiendynastien dienten. Pyramiden haben immer schon fasziniert und zu verrückten Hypothesen verleitet.

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