Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
funkeln, Millionen Sterne, so wie sie vor vierhundert Millionen Jahren am Himmel erschienen waren.
    Als ich die Hand ausstreckte, spürte ich unter meinen Fingern die Wärme, die der Gegenstand ausstrahlte. Die Punkte blinkten immer stärker und einer von ihnen mehr noch als die anderen. War es der Stern des ersten Tages, der, nach dem ich seit meiner Kindheit Ausschau hielt, der, dessentwegen ich mich auf das chilenische Hochplateau zurückgezogen hatte? Keira legte den Gegenstand behutsam auf den Boden. Sie schlang die Arme um meinen Hals und küsste mich. Es war noch taghell, und doch funkelte zu unseren Füßen die schönste Nacht, die wir je gesehen hatten.
     
    Es war gar nicht leicht, die beiden Fragmente wieder voneinander zu lösen. Wie sehr wir auch zogen, jeder an einem Teil, sie hafteten weiter fest zusammen. Dann nahm das Funkeln ab und verschwand, und wir konnten sie ohne große Mühe trennen. Keira legte ihre Kette wieder um den Hals, und ich ließ das andere Fragment in meiner Hosentasche verschwinden.
    Wir blickten einander an und fragten uns, was geschehen würde, wenn es uns eines Tages gelingen sollte, die fünf Teile zusammenzufügen.

Lingbao, China
    Die Lisunov landete auf der Piste und rollte bis zum Hangar. Der Pilot half Keira beim Aussteigen. Ich händigte ihm meine letzten Dollars aus und dankte ihm, dass er uns sicher zurückgeflogen hatte. Unser Reiseveranstalter erwartete uns mit seinem Moped. Er fuhr uns bis zu unserem Wagen und erkundigte sich, ob wir mit der Reise zufrieden wären. Ich versprach ihm, seine Agentur weiterzuempfehlen. Hocherfreut verbeugte er sich zum Abschiedsgruß und kehrte in sein Büro zurück.
    »Bist du noch wach genug, um zu fahren?«, fragte Keira und gähnte.
    Ich mochte ihr nicht gestehen, dass ich beim Flug über Laos eingeschlafen war. Ich drehte den Zündschlüssel, und der Motor des Jeeps sprang an. Wir mussten unser Gepäck abholen, das wir im Kloster zurückgelassen hatten, und würden die Gelegenheit nutzen, um dem Lama für seine Gastfreundschaft zu danken. Wir könnten eine letzte Nacht dort verbringen und am nächsten Tag nach Peking aufbrechen. Wir wollten so bald wie möglich nach London zurück und konnten es kaum erwarten zu sehen, was das neue Fragment projizieren würde, sobald es einem Laserstrahl ausgesetzt wäre. Welche Konstellationen würden wir entdecken?
     
    Während wir am Gelben Fluss entlangfuhren, musste ich an all die Wahrheiten denken, die uns dieses sonderbare Objekt offenbaren würde. Ich hatte die eine oder andere Idee, behielt
sie aber vorerst für mich, bis ich das Phänomen in London mit eigenen Augen gesehen hätte.
    »Gleich morgen rufe ich Walter an«, sagte ich zu Keira. »Er wird genauso neugierig sein wie wir.«
    »Ich darf nicht vergessen, mich bei Jeanne zu melden«, erwiderte sie.
    »Es gab doch bestimmt schon Zeiten, in denen du dich länger nicht bei ihr gemeldet hast.«
    »Ja, drei Monate lang!«, gestand Keira.
    Eine große Limousine fuhr dicht hinter uns her. Der Mann am Steuer konnte noch so oft aufblenden, die kurvenreiche Straße war zu schmal zum Überholen. Auf der einen Seite die schroffe Felswand, auf der anderen der Gelbe Fluss. Ich machte ihm Zeichen, sich zu gedulden. Ich würde zur Seite fahren und ihn vorbeilassen, sobald ich konnte.
    »Wenn man nicht anruft, heißt das noch lange nicht, dass man nicht an die andere Person denkt«, setzte Keira hinzu.
    »Und warum ruft man sie dann nicht an?«, fragte ich.
    »Manchmal hindert einen die Entfernung daran, die richtigen Worte zu finden.«

Paris
    Ivory freute sich schon immer auf den Tag in der Woche, an dem er zum Markt auf der Place d’Aligre ging. Er kannte jeden Händler, die Bäckerin Annie, den Metzger Étienne, den Käseverkäufer Marcel, den fünfzigjährigen Monsieur Gérard, der seit zwanzig Jahren immer eine sensationelle Neuheit auf seinem Stand feilzubieten hatte. Ivory liebte Paris, die Insel mitten in der Seine, auf der er wohnte, und den Marché d’Aligre, wo es laut zuging wie auf einem afrikanischen Basar.
    Zurück in seiner Wohnung stellte er die Tasche auf den Küchentisch, räumte seine Einkäufe sorgfältig in den Kühlschrank, biss in eine Karotte und trat in sein Wohnzimmer. Das Telefon klingelte.
    »Ich wollte Ihnen etwas mitteilen, das mir gar nicht gefällt«, sagte Vackeers.
    Ivory legte die Karotte auf den Couchtisch und hörte seinem Schachpartner aufmerksam zu.
    »Wir hatten heute Morgen eine Versammlung. Unsere

Weitere Kostenlose Bücher