Am ersten Tag - Roman
…«
»Ist schon geschehen.«
»Und was ist mit der Stiftung?«
»Wann soll diese Vergabe stattfinden?«
»In zwei Monaten.«
»Und die Anmeldefrist für die Bewerbung?«
»Drei Wochen.«
»Was die Assistentin betrifft, muss ich noch nachdenken. Aber lassen Sie erst mal die Tür zu meinem Büro öffnen.«
»So bald wie möglich. Natürlich können Sie inzwischen über meines voll verfügen.«
»Sie sind dabei, mich in eine höchst fragwürdige Geschichte zu verstricken, Walter.«
»Glauben Sie das nur nicht. Die Walsh-Foundation hat stets die eigenwilligsten Projekte ausgezeichnet. Die Mitglieder des Komitees schätzen alles, was - wie soll ich sagen - avantgardistisch ist.«
Da diese letzte Bemerkung aus Walters Mund kam, hatte ich meine Zweifel, dass sie so wohlwollend war, wie sie erscheinen sollte. Doch der Mann war in die Enge getrieben, und es war nicht der rechte Moment, ihm Vorwürfe zu machen. Ich musste so schnell wie möglich eine Entscheidung treffen. Natürlich war die Chance, diesen Preis zu gewinnen, minimal, doch ich war zu allem bereit, um wieder auf mein Atacama-Plateau zurückzukehren. Was hatte ich zu verlieren?
»Also einverstanden, Walter. Ich gehe das Risiko ein, mich in der Öffentlichkeit zu blamieren, aber unter einer Voraussetzung: Wenn wir gewinnen, versprechen Sie mir, mich in den folgenden sechsunddreißig Stunden in ein Flugzeug nach Santiago de Chile zu setzen.«
»Ich begleite Sie persönlich zum Airport, Adrian, großes Ehrenwort.«
»Gut, abgemacht!«
Walter sprang von der Couch hoch, schwankte und ließ sich gleich wieder zurücksinken.
»Genug getrunken für heute Abend. Nehmen Sie die Decke,
die wird Sie die Nacht über warm halten. Und was mich betrifft, so gehe ich jetzt zu Bett.«
Walter rief mir noch einmal nach, als ich schon auf der Treppe war.
»Adrian, dürfte ich wissen, was mit ›versaut ist versaut‹ gemeint war?«
»Mein Abend, Walter.«
Paris
Keira war im Bett ihrer Schwester eingeschlafen. Nach einer Flasche anständigen Weins, einem Imbiss, einem angeregten Gespräch und schließlich einem alten Schwarzweißfilm im Kabelfernsehen war der Stepptanz unter Gene Kellys Führung das Letzte, an das sie sich erinnerte. Als das Tageslicht sie weckte, pochte der Wein vom Vorabend, der wohl doch nicht so anständig gewesen war, hinter ihren Schläfen.
»Haben wir viel getrunken?«, fragte sie, als sie in die Küche trat.
»Allerdings!«, antwortete Jeanne und schnitt eine Grimasse. »Ich habe dir Kaffee gemacht.«
Jeanne nahm am Tisch Platz und fixierte den seitlich an der Wand angebrachten Spiegel, in dem sie das Gesicht ihrer Schwester und ihr eigenes sah.
»Was schaust du mich so an, was ist los?«, fragte Keira.
»Nichts.«
»Du starrst mich im Spiegel an, obwohl ich dir gegenübersitze, und sagst, nichts ist los?«
»Es ist ein bisschen so, als wärest du immer noch auf der anderen Seite der Welt. Ich bin es nicht mehr gewohnt, dich in meiner Nähe zu haben. Überall in der Wohnung hängen Fotos von dir, sogar in meiner Schreibtischschublade im Museum habe ich eins. Ich sage dir jeden Tag guten Morgen oder guten Abend. Wenn es mir nicht gut geht, unterhalte ich mich lange mit dir, bis mir bewusst wird, dass es kein Gespräch, sondern ein Monolog
ist. Warum rufst du mich nie an? Wenn du wenigstens das tun würdest, hätte ich nicht das Gefühl, dass du so weit weg bist. Verdammt, ich bin schließlich deine Schwester, Keira!«
»Hör zu, Jeanne, ich muss dich sofort unterbrechen. Einer der wenigen Vorteile des Singledaseins besteht darin, dass man sich nicht ständig mit seinem Partner herumzanken muss! Also jetzt bitte keinen Streit zwischen uns. Im Omo-Tal gibt es nun mal keine Telefonzellen und auch keinen Handyempfang, lediglich eine Satellitenverbindung, die nur funktioniert, wenn sie mag. Jedes Mal, wenn ich in Jimma war, habe ich dich angerufen.«
»Alle zwei Monate? Ein großartiger Austausch! ›Geht’s dir gut? … Die Verbindung ist schlecht … Wann kommst du zurück? … Keine Ahnung, so spät wie möglich. Wir graben immer noch, und du, wie läuft’s im Museum und mit deinem Macker … Mein Macker heißt Jérôme, und zwar seit drei Jahren, das hättest du dir merken können! …‹ Ich war inzwischen von ihm getrennt, aber ich hatte weder Zeit noch Lust, es dir zu erzählen und wozu auch? Noch zwei, drei Banalitäten, und du hattest aufgelegt.«
»Deine Schwester ist unmöglich, Jeanne, eine elende Egoistin, ja? Aber das
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