Am ersten Tag - Roman
und wir gingen in ein Pub, wo ich die Fortschritte meiner Arbeit zusammenfasste. Nachmittags wälzte ich in der Bibliothek der Akademie Bücher, die ich bereits, wer weiß schon wie oft, gelesen hatte, während Walter meine Aufzeichnungen überflog. Abends flanierte ich bisweilen in Primerose Hill, und am Wochenende nahm ich eine Auszeit, um auf dem Flohmarkt von Camden Lock herumzuspazieren. Mit jedem Tag fand ich mehr Gefallen an meinem Londoner Leben, und mit Walter verband mich eine wachsende Nähe.
Paris
Am Mittwoch bekam Ivory die Ergebnisse des Dortmunder Labors. Er notierte das Resultat der Analyse, das der Verantwortliche ihm per Telefon durchgab, und bat ihn dann, das ihm anvertraute Objekt an ein anderes Labor in einem Vorort von Los Angeles weiterzusenden. Nachdem er aufgelegt hatte, zögerte er eine lange Weile und tätigte dann einen zweiten Anruf, diesmal von seinem Handy aus. Er musste kurz warten, bis die Verbindung hergestellt war.
»Lange nichts gehört!«
»Es gab auch keinen Grund, miteinander zu reden«, sagte Ivory. »Ich habe Ihnen eine E-Mail geschickt, lesen Sie sie so schnell wie möglich, ich habe allen Anlass zu der Vermutung, dass Sie mich nach der Lektüre umgehend anrufen werden.«
Ivory beendete das Gespräch, das keine vierzig Sekunden gedauert hatte. Er verließ sein Büro, schloss die Tür ab und ging ins Erdgeschoss. Er nutzte die Gelegenheit, dass sich eine Studentengruppe in der Eingangshalle drängte, und schlich unbemerkt hinaus.
Er lief den Quai Branly hinauf, überquerte die Seine, öffnete sein Handy, entfernte die Chipkarte und warf sie ins Wasser. Dann begab er sich in der Brasserie de l’Alma zur Telefonkabine im Untergeschoss und wartete, bis es klingelte.
»Wie ist dieses Objekt in Ihre Hände gelangt?«
»Die größten Entdeckungen sind oft Früchte des Zufalls, manche nennen es Schicksal, andere Glück.«
»Wer hat es Ihnen gegeben?«
»Das spielt keine Rolle, ich möchte es geheim halten.«
»Ivory, Sie rollen einen längst abgeschlossenen Fall wieder auf, und der Bericht, den Sie mir übermittelt haben, beweist so gut wie gar nichts.«
»Und warum haben Sie mich dann so schnell zurückgerufen?«
»Was wollen Sie?«
»Ich habe das Objekt nach Kalifornien geschickt, um es weiteren Tests zu unterziehen, aber die Kosten für die Analysen muss ich Ihnen in Rechnung stellen. Das übersteigt meine Mittel.«
»Und weiß der Besitzer des Gegenstandes Bescheid?«
»Nein, er hat keine Ahnung, worum es geht, und ich habe natürlich auch nicht vor, es ihm zu sagen.«
»Wann glauben Sie, wissen Sie mehr?«
»Die ersten Ergebnisse müsste ich in den nächsten Tagen bekommen.«
»Nehmen Sie wieder Kontakt auf, wenn es sich lohnt, und schicken Sie mir die Rechnung, wir begleichen sie. Auf Wiederhören, Ivory.«
Der Professor legte auf, verweilte noch kurz in der Kabine und fragte sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er verließ die Brasserie und kehrte ins Museum zurück.
Keira hatte an die Tür des Büros geklopft. Da sie keine Antwort bekam, ging sie in die Eingangshalle und fragte an der Informationstheke nach. Die Angestellte versicherte ihr, den Professor gesehen zu haben. Vielleicht war er im Café? Keira sah sich im Garten um. Ihre Schwester aß mit einem Kollegen zu Mittag. Sie erhob sich und kam zu ihr.
»Du hättest anrufen können.«
»Ja, hätte ich. Hast du Ivory gesehen? Ich kann ihn nicht finden.«
»Ich habe heute Morgen mit ihm gesprochen, aber ich verbringe meine Zeit nicht damit, ihn zu überwachen, und das Museum ist groß. Wo hast du in den letzten zwei Tagen gesteckt?«
»Jeanne, du lässt den Mann warten, mit dem du isst. Vielleicht kannst du dein Verhör auf später verschieben?«
»Ich habe mir Sorgen gemacht, das ist alles.«
»Wie du siehst, bin ich wohlauf, und du hattest nicht den geringsten Grund, dir Sorgen zu machen.«
»Bist du zum Abendessen da?«
»Ich weiß nicht, es ist ja erst Mittag.«
»Warum hast du es so eilig?«
»Ivory hat mir eine Nachricht hinterlassen und mich gebeten vorbeizukommen. Doch er ist nicht da.«
»Na, dann ist er eben woanders. Wie gesagt, das Museum ist groß, wahrscheinlich ist er irgendwo oben. Ist es so dringend?«
»Ich glaube, dein Freund verzehrt gerade dein Dessert.«
Jeanne warf einen Blick zu ihrem Kollegen, der in einer Zeitschrift blätterte und geduldig auf sie wartete. Als sie sich wieder umdrehte, war ihre Schwester verschwunden.
Keira lief durch den
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