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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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müssen, damit mich mal jemand fragt, wie es mir geht, und sich Zeit nimmt, die Antwort anzuhören.«
    »Wie geht es dir?«
    »Wie einem Löwen im Käfig.«
    »Und wie lange bist du schon in diesem Käfig? Mindestens eine Woche?«
    »Etwas länger.«
    »Bleibst du oder fährst du wieder?«
    Keira berichtete Max von ihrem Unglück in Äthiopien und ihrer erzwungenen Rückkehr. Sie hatte nur wenig Hoffnung, die nötigen Mittel für eine neue Expedition zu finden. Um zwanzig Uhr ging sie hinaus, um Jeanne anzurufen und ihr zu sagen, dass sie später käme.
    Sie aß mit Max im Meurice zu Abend, und jeder erzählte von seinen Erlebnissen in den sechsunddreißig Monaten, während derer sie sich nicht gesehen hatten. Nach seiner Trennung von Keira und deren Abreise hatte Max seine Arbeit als Archäologieprofessor an der Sorbonne aufgegeben und die Druckerei seines Vaters übernommen, der im Vorjahr an Krebs gestorben war.

    »Und jetzt bist du Druckereibesitzer?«
    »Du hättest sagen müssen: ›Das mit deinem Vater tut mir leid‹«, meinte Max lächelnd.
    »Aber Max, du kennst mich doch. Ich sage nie das Richtige im richtigen Moment. Das mit deinem Vater tut mir leid … Ich glaube, mich zu erinnern, dass ihr euch nicht besonders gut verstanden habt.«
    »Wir haben uns schließlich versöhnt … An seinem Sterbebett.«
    »Warum hast du deine Stelle aufgegeben, du hast deine Arbeit doch geliebt?«
    »Ich habe aber vor allem die Vorwände geliebt, die sie mir geboten hat.«
    »Welche Vorwände? Du warst ein sehr guter Professor.«
    »Ich habe nie diese Leidenschaft gekannt, die dich beseelt und zu deinen Ausgrabungen treibt.«
    »Und ist die Druckerei besser?«
    »Zumindest sehe ich der Wahrheit ins Gesicht. Ich gebe nicht mehr vor, auf die große Mission zu warten, die mir die Möglichkeit zur Entdeckung des Jahrhunderts geben würde. Ich war es satt, mir etwas vorzumachen. Ich war ein Hörsaal-Archäologe, nur dazu gut, Studentinnen zu verführen.«
    »He! Da gehöre ich auch zum Klub!«, bemerkte Keira ironisch.
    »Zwischen uns, das war mehr, und das weißt du genau. Ich war ein Abenteurer der Pariser Vororte. Jetzt sehe ich die Dinge wenigstens klar. Und hast du dort unten das gefunden, wonach du gesucht hast?«
    »Wenn du von meinen Ausgrabungen sprichst, nein, nur einige Sedimente, die mich darin bekräftigen, dass ich auf dem richtigen Weg war, dass ich mich nicht getäuscht habe. Was ich hingegen entdeckt habe, ist eine Art zu leben, die mir gefällt.«
    »Du wirst also wieder gehen …«
    »Um ganz ehrlich zu sein, würde ich gerne die Nacht mit dir verbringen, Max, und vielleicht auch die morgige. Aber Montag möchte ich allein sein und die folgenden Tage auch. Falls sich die Möglichkeit bietet, wieder zu fahren, werde ich es sofort tun. Wann? Das weiß ich nicht. Aber einstweilen muss ich Arbeit finden.«
    »Bevor du mir anbietest, mit dir zu schlafen, könntest du zumindest fragen, ob es jemanden in meinem Leben gibt?«
    »Wenn das der Fall wäre, hättest du sie angerufen, es ist nach Mitternacht.«
    »Wenn es der Fall wäre, hätte ich gar nicht mit dir zu Abend gegessen. Hast du, was die Arbeit betrifft, etwas im Auge?«
    »Noch nicht. Ich habe im Berufsleben nicht viele Freunde.«
    »Ich könnte dir innerhalb von zwei Minuten eine Liste von Forschern auf dieses Tischtuch kritzeln, die mit Begeisterung jemanden wie dich in ihr Team aufnehmen würden.«
    »Ich will nicht zur großen Entdeckung anderer beitragen. Ich habe genug Praktika absolviert, ich will jetzt mein eigenes Projekt leiten.«
    »Hast du Lust, zwischendurch in der Druckerei zu jobben?«
    »Papierwalzen, das ist nicht wirklich mein Ding. Ich habe die Jahre, während deren ich mit dir an der Sorbonne gearbeitet habe, in guter Erinnerung, aber da war ich zweiundzwanzig. Ich glaube, das ist keine gute Idee«, meinte Keira lächelnd. »Aber trotzdem danke für das Angebot.«
     
    Am frühen Morgen fand Jeanne das Sofa im Wohnzimmer leer vor. Sie blickte auf ihr Handy, ihre Schwester hatte ihr keine Nachricht hinterlassen.

London
    Das schicksalhafte Datum, an dem die Dossiers bei der Walsh-Foundation eingereicht werden mussten, rückte näher. Die große mündliche Präsentation würde in knapp zwei Monaten stattfinden. Die Vormittage verbrachte ich zu Hause und kommunizierte mit meinen Kollegen auf der ganzen Welt. Ich beantwortete Mails, vor allem die, die ich von Zeit zu Zeit von meinen Atacama-Freunden bekam. Gegen Mittag holte mich Walter ab,

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