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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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Angie kennenlernte, an so manchem Abend Gesellschaft geleistet.
    Wir hatten einander an der Ecke 72. Straße kennengelernt. Ich war spät dran und hatte es eilig, zur U-Bahn zu kommen. Da blockierte ein Clown den Fußweg. Ein fröhlicher Clown. Mit einem riesigen schiefen Lächeln. Er mühte sich ab, einen Schrankkoffer auf Rädern auf den Bordstein zu wuchten. Das Teil war so groß wie er selbst. Er kam kaum damit zurecht.
    »Können Sie mir kurz helfen?«
    Ich tat so, als habe er nicht mich angesprochen, sondern jemand anderen.
    »He, großer Mann, seien Sie kein Stiesel! Ist es so schlimm für Sie, etwas Gutes zu tun?«
    Ich blieb stehen. Ich war in Eile, aber er hatte recht. Außerdem gab das eine gute Geschichte für die Kollegen im Büro: wie ich einem Clown geholfen hatte. Wir hievten den Koffer mit vereinten Kräften auf den Fußweg.
    »Danke, alles gut. He, ich kenne Sie vom Sehen. Aus der Bar da drüben. Kann das sein?«
    War er einer von diesen traurigen Stammgästen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit im P&G’s herumhingen und sich die Kante gaben?
    »Einen Clown habe ich da noch nie gesehen«, sagte ich.
    Er lachte. »Und ob Sie das haben. Der Laden ist voll von Clowns.« Er griff in seine Tasche. »Hier, meine Karte. Man weiß nie – vielleicht brauchen Sie eines Tages einen Clown.«
    JACQUES - EMO und WANDA die WUNDERBARE . Von der Geburtstagsfeier bis zum Firmen-Event – wir bringen Sie zum Lachen.
    »Was macht Wanda?«
    »Eigentlich ist es mein Ding«, erklärte er. »Sie bringt nur ein bisschen Farbe rein, verstehen Sie? Ich zeige einen Zaubertrick, und sie lenkt die Leute ab, damit sie nicht zu genau hinschauen.«
    Ich steckte die Karte ein. »War nett, Sie kennenzulernen, Jacques. Ich muss jetzt dringend los.«
    »Roger. Jacques heißt nur der Clown.«
    »Ich merk’s mir«, sagte ich.
    Ich bestellte uns etwas.
    »Wie isses dir ergangen?« Er machte einen kleinen Satz, um sich auf den Barhocker zu schwingen.
    Das konnte eine Fangfrage sein – zwei Jahre zuvor hatten sämtliche Nachrichten mein Bild gebracht –, aber ebenso gut konnte ich unter Verfolgungswahn leiden. Ich hatte keine Lust, über den Ort zu reden, an dem ich noch einen Tag zuvor gewesen war, insgesamt ganze zwei Jahre lang. Andererseits hatte ich zu Roger Vertrauen. Wir waren Freunde – Barfreunde. Wir waren nie zusammen in Urlaub gefahren und hatten einander keine Weihnachtskarten geschickt, aber es hatte eine Zeit gegeben, da hatten wir stundenlang über alles und jedes geredet.
    »Ich war weg, Roger.« Ich hoffte, dass er mein Zögern heraushörte.
    »Das meine ich nicht«, erwiderte er. »Wie lange ist das her, dass du hier weggezogen bist? Fünf Jahre? Sechs? Und du bist kein einziges Mal mehr hier heraufgekommen, um deinen alten Freund zu treffen. Du solltest dich schämen.«
    Noch etwas zum Schämen. Das häufte sich langsam.
    »Ich habe geheiratet. Ein Kind bekommen. Dann ging’s bei der Arbeit eine Weile drunter und drüber.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das stand ja alles in der Zeitung. Ich meine: Wie geht es dir?«
    Ich hatte keinerlei Karriere in Aussicht. Kaum Freunde. Eine Ex-Frau, die ich möglicherweise noch liebte, vielleicht aber auch nicht, und vielleicht wusste ich gar nicht, was das hieß. Und einen Sohn. Krank und tausendfünfhundert Kilometer weit weg in der Obhut einer alkoholkranken Ex. Es war alles ziemlich schwierig.
    »Ist mir schon besser gegangen.«
    »Verstehe.«
    »Und schlechter«, fügte ich hinzu.
    »So ist es doch irgendwie immer, oder?«
    Da rastete etwas ein, und ich fühlte mich zu Hause. Die Wölfe waren noch draußen, es braute sich ein Hurrikan zusammen,und die Welt wurde von Irren regiert. Aber für den Augenblick war dieses kühle Bier in einer gemütlichen Bar pure Glückseligkeit.
    Am Freitagvormittag traf ich mich mit meinem Bewährungshelfer. Er hatte massive Schuppen, und sein Atem stank nach Zigaretten und Kaffee. Der Mann, der von nun an drei Jahre lang totale Kontrolle über mein Leben haben würde, gab sich keine Mühe zu verbergen, wie angeödet er war. Er ratterte eine ganze Liste von Restriktionen herunter, mit denen ich würde leben müssen – unter anderem, dass ich New York City nicht verlassen durfte, ohne seine schriftliche Einwilligung eingeholt zu haben, und dass ich die so bald nicht bekommen würde –, dann gab er mir eine Liste mit zehn Arbeitgebern, die bereit seien, Ex-Knackis einzustellen. Großartig: Ich konnte Fahrradkurier werden oder Tellerwäscher.

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