Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Wall-Street-Investmentfirma, das fiel mir wieder ein, besonders auf mittelständische Unternehmen ausgerichtet. »Mr. Stockman ist unser kaufmännischer Geschäftsführer.«
Ich erinnerte mich an ihn. Wir waren einander ein paar Jahre zuvor bei einem Notenbank-Meeting vorgestellt worden. Er war Buchhalter, kein Trader. Ein Leichtgewicht meiner Meinung nach, ein bisschen überfordert und zu sehr darauf aus, Eindruck zu schinden. Er kleidete sich zu schick und erschien in einer Eau-de-Cologne-Wolke zum Business-Meeting. Außerdem war er eher klein, was ich ihm nicht ankreidete, aber die Absätze unter seinen maßgefertigtenSchuhen verrieten, dass das für ihn sehr wohl ein Thema war.
»Natürlich. Wissen Sie vielleicht, warum er mich sprechen will?«
»Bedaure, Sir, aber Mr. Stockman vertraut mir nicht alles an. Würden Sie bitte einen Augenblick dranbleiben?«
Ich blieb dran. Ich schwor mir, selbstbewusst rüberzukommen, angriffslustig und stark. Was ich empfand, waren Unsicherheit und extreme Bedürftigkeit. Es vergingen mehrere Minuten, und meine Stärke schwand dahin.
Endlich. »Jason? Vielen Dank, dass Sie gewartet haben. Ich bin froh, dass ich Sie erreiche. Wie geht’s Ihnen? Wie halten Sie sich?«
Offensichtlich kannte er meine Geschichte. Also konnten wir sie in angenehmem Abstand umschiffen.
»Es geht mir ganz gut. Im Moment genieße ich das herrliche Wetter. Und hoffe, bald wieder etwas tun zu können.«
»Ausgezeichnet. Ausgezeichnet. Das kann für uns beide gut ausgehen. Ich habe heute mit einem alten Freund von Ihnen gesprochen – Al Pierce, aus Ihrem früheren Laden.«
Al Pierce war nie mein Freund gewesen. Er war kaufmännischer Geschäftsführer bei Case Securities , als herauskam, dass die Milliarde Dollar Gewinn, die meine Gruppe in drei Jahren erwirtschaftet hatte, in Wahrheit nur eine halbe Milliarde war und dass der Rest ein Produkt meiner Fantasie und meiner Geschicklichkeit im Fälschen einiger hundert Handelsbelege war. Al hatte nichts davon mitgekriegt und war völlig baff, als die Ermittlungsbehörden die Beweise präsentierten. Es war mir ein Rätsel, wie er sich in seinem Job hatte halten können. Ganz sicher hatte er keinen Grund, mir einen Gefallen zu tun.
»Er hat mir empfohlen, Sie anzurufen. Wir haben hier einbisschen zu kämpfen, und er meinte, Sie könnten uns vielleicht durch diese schwere See lotsen.«
»Hören Sie, Mr. Stockman ...«
»Bill, sagen Sie ruhig Bill.«
»Gut, Bill. Es ist nett, dass Sie an mich gedacht haben, aber ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Mir ist es auf Dauer untersagt, in meinen alten Job zurückzukehren, und – ich weiß nicht, ob er das erwähnt hat – laut Gerichtsbeschluss darf ich noch nicht einmal mit Al reden.«
Nun war es heraus – so unverblümt, wie ich es nur hatte sagen können. Wenn er jetzt immer noch Interesse bekundete, bedeutete das etwas. Es bedeutete, dass er Angst hatte.
»Ja, das hat er deutlich gemacht. Aber die Lage ist wirklich speziell, Jay ...«
Ich konnte es nicht ausstehen, wenn jemand mich Jay nannte. Wer das tat, wollte etwas.
»... und wir würden Sie niemals um etwas bitten, das Sie in juristischer Hinsicht in Schwierigkeiten bringen könnte.«
Er war aalglatt – ein alter Wall-Street-Bürokrat, und das waren die Schlimmsten –, aber seine Stimme sprach Bände. Er klang wie einer, dessen Eier bereits in einem Schraubstock festsitzen, nur dass der Druck noch nicht anzieht. Noch nicht. Ich wollte mehr hören. Aber er sollte nicht wissen, dass ich das wollte.
»Tut mir leid, Bill. Ich bin gerade erst nach Hause zurückgekehrt. Ich muss mich um einige private Dinge kümmern. Was stellen Sie sich denn zeitlich vor?«
»Ihre Mühe soll sich jedenfalls lohnen. Da können Sie sicher sein.«
»Erzählen Sie. Ich höre.«
»Ein junger Trader aus der Firma war im Sommer in einentraurigen Unfall verwickelt. Damals stand völlig außer Frage, dass es sich um einen Unfall handelte. Ein Segelunfall ...«
»Ist das die Geschichte, die diese Woche durch die Nachrichten ging?«, fiel ich ihm ins Wort.
»Ach, das haben Sie gesehen«, seufzte er, als wollte er sagen, dass es um diese Welt besser bestellt wäre, wenn William Stockman die Informationsflüsse lenkte. »Ja, nun ja, was in der Presse nicht erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass die Börsenaufsicht sich für seine Trade Reports interessiert. Sie haben uns aufgefordert, seine Aufzeichnungen, Handelsbelege, Berichte, Bücher und Kalender
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