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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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ihre Kleine in der Nähe zu haben, auch wenn sie sie nicht so oft sah, wie es ihr lieb gewesen wäre, weil ihre Evangeline so beschäftigt war, ihre alten Bekanntschaften wieder auffrischte und so weiter, und sie verstand gar nicht, warum das Mädchen meinte, unbedingt ein eigenes Haus unten in Morgan City mieten zu müssen, wo bei ihr doch so viel Platz war.
    Ich kämpfte mich weiter voran. »Könntest du mir ihre Telefonnummer geben?«
    Konnte sie nicht. Nie würde sie Angies Nummer oder ihre Adresse weitergeben, ohne sie vorher gefragt zu haben.
    »Nach all den Problemen, die ihr hattet, wäre das nicht richtig, denke ich«, flüsterte sie, so als wäre es eine Beleidigung, in normalem Ton über unsere Scheidung zu sprechen. »Aber ich richte ihr deine Grüße aus, und dann meldet sie sich bestimmt bei dir. Ich sehe sie ja am Wochenende, wenn sie den Kleinen besuchen kommt. Sie ist jedes Wochenende hier. Immer. Sie ist dem Jungen so eine gute Mutter.«
    Einmal die Woche.
    »Wie geht’s meinem Sohn?«
    »Na ja, er ist schon eine Herausforderung. Aber, Jason, ich glaube, der Herr hat mit diesem Jungen noch etwas vor.«
    Das beunruhigte mich.
    Ich verabschiedete mich und hörte noch ihr übliches »Mach’s gut«.
    Manchmal führt das vorrangige Erledigen der schwierigen Dinge auch dazu, dass die Büchse der Pandora sich überhaupt erst öffnet.
    Bei ihrem letzten Besuch im Ray-Brook-Gefängnis war Angie betrunken. Sie torkelte nicht. War nicht mal rührselig. Nur ein bisschen lauter als nötig. Lauter und mit viel mehr Bayou-Einschlag. Es war elf Uhr vormittags, und sieerzählte mir vom letzten Ärzte- und Untersuchungsmarathon unseres Sohnes. Er war vier Jahre alt und konnte kaum sprechen. Er kommunizierte, indem er grunzte, knurrte und Gesten reproduzierte, die er aus der Fernsehwerbung aufgeschnappt hatte. Angie schien anzunehmen, dass er es gar nicht versuchte. Da habe ich mich gehen lassen. Ich habe sie angeschrien. Gesagt, sie solle sich zusammenreißen. Das sei sie dem Jungen schuldig. Und in all dem schwang der Vorwurf mit, dass für die Probleme, die das Kind hatte, sie verantwortlich sei.
    Sie weinte. Dann fing auch sie an zu schreien. Sie nannte mich einen Wurm, und ich musste lachen. Weil ich es komisch fand, dass sie in ihrer ganzen Hysterie ausgerechnet auf das Wort »Wurm« gekommen war. Und das war der Moment, in dem sie mit der eigentlichen Nachricht herausrückte.
    Autismus. Unser Sohn hatte fürs Laufenlernen lange gebraucht und brauchte fürs Sprechen noch länger. Er hatte nie gegurrt, gebrabbelt, gejuchzt wie andere Babys. Versuchte man, ihm in die Augen zu schauen, zuckte er zusammen. Und wäre ich nicht die ganze Zeit so mit mir selbst und meinen eigenen Sorgen beschäftigt gewesen, dann hätte ich all das vielleicht bemerkt.
    Als ich eingesehen hatte, dass meine Buchungsmethoden sich nicht ewig würden fortsetzen lassen – und bevor ich merkte, dass die Börsenaufsicht mich im Visier hatte –, regelte ich das mit der Scheidung. Ich überschrieb Angie den Loft in Tribeca und die Hälfte der Vermögenswerte und richtete den kleinen Treuhandfonds für den Jungen ein. Es hat funktioniert. Meine frühere Wohnung uptown haben sie mir gelassen, alles andere haben sie kassiert. Und Angie ließen sie in Ruhe. Mit ihr haben sie sich nie befasst.
    Der Plan war, dass wir uns wieder zusammentaten, sowieich rauskam. Wir wollten uns in irgendein Steuerparadies zurückziehen und von den Zinsen leben. Das war natürlich nur möglich, wenn Angie durchhielt – wenn sie bei meiner Heimkehr da war. Es war, als wollte man eine Villa auf einen Felsvorsprung bauen; die Aussicht mochte fantastisch sein, aber entscheidend war das Fundament.
    Die Chancen, dass mein Bewährungshelfer mir eine Reise nach Louisiana genehmigte, waren, nahm ich an, gleich null. Er durfte nichts davon erfahren. Ich erledigte die Buchung telefonisch.
    Um sechs sollte ich bei meinem Vater sein. Bis dahin hatte ich nichts anderes zu tun, als Kaffee zu trinken, auf den Broadway hinunterzuschauen und mir zurechtzulegen, was ich zu Angie sagen würde.
    Als mein Handy klingelte, fuhr ich zusammen. Es war das erste Mal. Bis dahin hatte nur ich Leute angerufen.
    »Jason Stafford.«
    »Mr. Stafford? Hier ist Gwendolyn aus dem Büro von Mr. Stockman. Hätten Sie Zeit für ein Gespräch mit ihm?«
    Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren, versuchte, den Namen einzuordnen. »Tut mir leid. Sie rufen von wo an ...?«
    » Weld Securities .« Eine kleinere

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